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Im neuesten Artikel unserer Alumni- Interviewreihe spricht Dr. Diana Reser, die erste Professorin für Herzchirurgie in der Schweiz und Gewinnerin des Guinness World Heart Award 2010 für ihre Sammlung herzförmiger Gegenstände, über ihre Erfahrungen als ehemalige Semmelweis-Studentin und die Entwicklung ihrer Karriere.

Was hat Sie dazu bewogen, Herzchirurgin zu werden?

Seit meiner Kindheit hat mich fasziniert, wie der menschliche Körper funktioniert, und das führte zu meinem Traum, Ärztin zu werden. Außerdem habe ich schon immer gerne gebastelt, und daraus entstand mein Traum, Chirurgin zu werden; ich wollte lernen, wie der menschliche Körper wiederherzustellen ist.

Die erste Operation, die ich während meines Medizinstudiums live miterlebte, war ein Aortenklappenersatz. Damals wurde mir klar, dass die Herzchirurgie meine Berufung ist.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf?

Die Herzchirurgie ist eine saubere, „ästhetische“ Chirurgie, die weitgehend standardisiert ist und damit zu den sichersten großen Operationen mit geringem Risiko und geringer Sterblichkeit bei elektiven Eingriffen gehört. Die Herzchirurgie beschränkt sich nicht auf das Herz, sondern ist ein interdisziplinäres und sich schnell entwickelndes Fachgebiet: Derzeit sind beispielsweise die minimalinvasive Klappenchirurgie durch einen kleinen Zwischenrippenschnitt oder der Verzicht auf die Herz-Lungen-Maschine bei Bypass-Operationen Best Practices in meinem Beruf.

Ihre Herzsammlung wurde vom Guinness-Buch der Rekorde anerkannt. Wie kamen Sie auf die Idee, herzförmige Gegenstände zu sammeln?

Es begann, als ich noch Medizin studierte. Alle wussten, dass ich Herzchirurg werden wollte, und so bekam ich immer mehr „Herz“-Geschenke. Da kam mir der Gedanke, mich für das Guinness-Buch der Rekorde zu bewerben. Im Jahr 2010 erhielt ich eine Urkunde für meine Sammlung von 775 herzförmigen Gegenständen. Ich hatte den Titel 14 Jahre lang, bis eine Dame im Jahre 2024 meinen Rekord mit einer Sammlung von 1.560 Stücken brach. Jetzt, da ich mehr als 1300 Gegenstände habe, werde ich versuchen, meinen Titel dieses Jahr zurückzuerobern.

Wie haben Sie von Ihrem Studium an der Semmelweis Universität profitiert?

Zunächst einmal war es eine der aufregendsten Erfahrungen meines Lebens, zu meinen familiären Wurzeln nach Budapest zurückzukehren. Die Stadt ist fantastisch, es war großartig, Studenten aus der ganzen Welt und hervorragende Dozenten zu treffen. Ich denke, einer der größten Vorteile der Semmelweis Universität waren die regelmäßigen Prüfungen. Am Ende jedes Semesters mussten wir schwierige Prüfungen ablegen, was uns alle ermutigte, hart zu lernen. Ein weiterer positiver Aspekt waren die praktischen Fächer, die mit den jeweiligen Fachbereichen verbunden waren, was die Wahl unserer Spezialisierung erleichterte.

Was sind Ihre schönsten Erinnerungen aus Ihrer Studentenzeit?

Unsere engagierten Lehrer, das Studentenleben in Budapest, die historischen Gebäude der Universität, wo ich das Gefühl hatte, dass Ignác Semmelweis jeden Moment um die Ecke biegen könnte. Ich mag die klassischen architektonischen Stile, weil sie Charakter haben und mich daran erinnern, welch ein Privileg es ist, in dieser historisch berühmten Umgebung zu studieren.

Wie hat sich Ihre Karriere nach der Studienzeit entwickelt?

Ich erinnere mich, dass mich meine Kommilitoninnen beneideten, weil ich in die Schweiz zurückkehrte, um Herzchirurgin zu werden. Sie sagten, dass sie als Frauen in den meisten Ländern keine Chance hätten, zu einem Vorstellungsgespräch als Chirurgin eingeladen zu werden. Das war das erste Mal, dass ich damit konfrontiert wurde, was es bedeutet, als Frau einen solchen Beruf zu wählen. Aber zum Glück war das in der Schweiz anders, so schien es damals, und ich wurde sofort als Assistenzärztin in meiner Heimatstadt Luzern eingestellt, wo ich in der Bauch- und Unfallchirurgie, der Notfallmedizin, der Gefäß-, Thorax- und Herzchirurgie arbeitete. Ich hatte die Gelegenheit, Débridement zu üben, den Brustkorb zu öffnen und zu schließen und sogar der leitende Assistent bei allen großen Operationen am offenen Herzen und an der Lunge zu werden. Danach bewarb ich mich am größten universitären Lehrkrankenhaus der Schweiz, in Zürich. Kurze Zeit später assistierte ich rund um die Uhr bei Herzoperationen. Zwei Jahre später gab es einen Wechsel in der Leitung, viele Leute kündigten, und ich wurde zum leitenden Oberarzt. Obwohl der neue Chefarzt nicht gerade als frauenfreundlich bekannt war, konnte ich an den Operationen teilnehmen und mich schon bald um das europäische Examen bewerben, das ich ohne Probleme bestand. Damals hatte ich keine Ahnung, dass ich nur die „Alibifrau“ meines Chefs war.

Nachdem ich meine Facharztprüfung jedoch erfolgreich bestanden hatte, wurde meine Beförderung trotz meiner hervorragenden Leistungen und der niedrigen Komplikations- und Sterblichkeitsrate, die die Zahlen der männlichen Assistenzärzte und der Ärzte in der Ausbildung übertraf, vertagt. Obwohl ich die Kriterien sowohl in wissenschaftlicher als auch in klinischer Hinsicht erfüllte, bevorzugte mein Vorgesetzter bei der Besetzung freier Stellen stets männliche Kollegen und schlug mir später sogar vor, mich selbst nach einer anderen Stelle umzusehen. Ich verfiel in eine tiefe Depression und war kurz davor zu kündigen, als das Schicksal eingriff: Mein früherer Chef ging und wurde durch den Chefarzt ersetzt. Da die meisten meiner Kollegen gekündigt hatten, wurde ich aufgrund des Personalmangels befördert, und es folgten fantastische vier Jahre. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel operiert: rund um die Uhr, Notfälle und komplexe Fälle, minimalinvasive Chirurgie und Transplantationen. Gleichzeitig machte ich auch in der Forschung Fortschritte und wurde die erste Privatdozentin in Herzchirurgie an der Universität Zürich (und der zweite in der Schweiz).

In der Zwischenzeit ernannte das Krankenhaus einen anderen Manager zu meinem Vorgesetzten: Er schuf toxische Arbeitsbedingungen. Alle bespitzelten sich gegenseitig, außer mir und einer Kollegin, und so wurden wir bald unerwünscht. Obwohl ich längst alle Voraussetzungen erfüllt hatte, um eine Pionierin unter den Herzchirurginnen in der Schweiz zu werden, machte das toxische Umfeld um mich herum dies unmöglich. Also kündigte ich, ohne dass ich irgendwohin gehen konnte. Doch das Schicksal hatte wieder einen anderen Plan: Ein ehemaliger Mentor, der in der Privatsektor arbeitete, meldete sich bei mir und sagte, dass sie eine Chirurgin suchten. So landete ich vor fünf Jahren im größten Privatspital der Schweiz, wo ich stressfrei Herzoperationen durchführen kann und genügend Zeit für meine Patienten, meine Studenten und mich habe.

Worauf sind Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn am meisten stolz?

Erstens, dass ich meine früheren Gegner eines Besseren belehrt habe und erfolgreich Herzchirurgin im größten Privatspital der Schweiz geworden bin.

Zweitens ist es mir gelungen, auf die Notwendigkeit einer koordinierten herzchirurgischen Ausbildung in der Schweiz aufmerksam zu machen. Die Entwicklung eines offiziellen Curriculums ist daher eine wichtige Errungenschaft.

Dann wurde ich, wie bereits erwähnt, die erste Privatdozentin in Herzchirurgie an der Universität Zürich.

Ich wurde eine erfolgreiche Expertin für minimal-invasive Herzchirurgie mit einer Mortalitätsrate von weniger als 1% bei meinen geplanten Eingriffen und habe unzählige dankbare Patienten.

Und schließlich wurde ich als erste Frau zur Professorin in Herzchirurgie an einer Schweizer Universität ernannt. Obwohl Frauen in der Schweiz zu Vorstellungsgesprächen für chirurgische Stellen eingeladen werden, ist die gläserne Decke immer noch überall sichtbar und schwer zu durchbrechen.

Wie sind Sie denn die erste weibliche Herzchirurgin der Schweiz geworden? Wie haben Sie dieses inspirierende Ergebnis erreicht?

Zunächst aus der Not heraus, denn mein Vorgesetzter wollte mich erst dann operieren und die Facharztprüfung ablegen lassen, wenn ich nebenbei forsche. Deshalb habe ich mich für die akademische Laufbahn entschieden, denn leider wird man selbst mit 20 Jahren Erfahrung in der Herzchirurgie nie als erfahrene Chirurgin angesehen, wenn man eine Frau ohne Titel ist, sondern man wird eher für eine Krankenschwester gehalten.

Der Titel Titularprofessur ist eine Garantie für Wissen in meinem Bereich, und rückblickend bin ich dem Chef, der mich damals gehindert hat, sehr dankbar. Allerdings traf ich auch nach meiner Ernennung auf männliche Kollegen, die sich weigerten, meine Leistungen anzuerkennen.

Können Sie von Ihren Erfahrungen als Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Swiss Young Cardiologists Club berichten?

Früher war die herzchirurgische Ausbildung in der Schweiz nicht einheitlich, weshalb wir 2011 den Young Swiss Cardiac Surgeons Club (YSCSC) gründeten. Unser Club wurde von der Schweizerischen Gesellschaft für Herzchirurgie (SGHC/SSCC) unterstützt, was es uns ermöglichte, ein nationales Netzwerk junger Chirurgen zu schaffen. Bis 2016 stand ich als Präsident des Clubs in Kontakt mit allen Abteilungen, Ausbildungsleitern und Auszubildenden und versuchte, die Ausbildung in der gesamten Schweiz zu verbessern. Da es bis dahin kein offizielles Curriculum in der Herzchirurgie gab, entwickelten wir eines, das vor einigen Jahren vom Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) akkreditiert wurde.

Im Laufe ihrer Karriere haben Sie sich einer Reihe von Organisationen angeschlossen, die sich für die Rechte der Frauen im Gesundheitsbereich einsetzen. Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit in diesem Bereich erzählen?

Die Gleichstellung der Geschlechter in der Medizin, insbesondere in der Chirurgie, ist noch lange nicht erreicht, zumindest in den meisten westlichen Ländern. Wir haben noch viel zu tun, um die vorherrschenden Rollen in der Gesellschaft zu ändern, aber die Arbeit hat bereits begonnen.

Ich bin Vorstandsmitglied des Vereins Medical Women Switzerland (MWS), der sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Karrierechancen von Ärztinnen einsetzt. Wir bieten Fortbildungen für unsere Mitglieder und Interessierte an und sensibilisieren die Gesellschaft und die Entscheidungsträger für die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in unserem Beruf.

Im Jahr 2024 wurde ich in den Vorstand des Komitees Women in Cardiothoracic and Thoracic Surgery (WiCTS) der European Association of Cardiothoracic and Thoracic Surgery (EACTS) gewählt, das sich für die Ausbildung, die Sichtbarkeit und den beruflichen Aufstieg von europäischen Fachkräften einsetzt.

Ich hätte nie gedacht, dass ich in der heutigen modernen Welt ein Pionier werden könnte. Aber ich bin zuversichtlich, dass dies zukünftige Chirurginnen motivieren wird, diesen Weg einzuschlagen, wenn sie es wirklich wollen.

 

Hanna Szekeres, Alumni Direktorat
Übersetzung: Judit Szlovák
Foto: Diana Reser

 

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