Das Risiko der Frühgeburten kann durch Screening auf eine abnormale Scheidenflora während der Schwangerschaft um durchschnittlich 29% gesenkt werden – erklären Gynäkologen der Semmelweis Universität in einer kürzlich veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeit in der Zeitschrift Scientific Reports.
Die ungarischen Forscher untersuchten 10 634 Studien und verglichen schließlich die Daten von 13 dieser Studien in ihrer bisher umfangreichsten internationalen Analyse. Sie untersuchten 143 534 Geburten aus der ganzen Welt, darunter aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Europa und Indien. Sie untersuchten, ob ein routinemäßiges Screening auf eine abnormale Scheidenflora während der Schwangerschaft das Risiko der Frühgeburten verringern könnte.
Die WHO definiert diese Kategorie als Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche. Im Jahr 2020 sind 4-16% der Babys zu früh geboren, was bedeutet, dass im Durchschnitt eine von zehn Schwangerschaften mit einer Frühgeburt endete. Frühgeburten sind die häufigste Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren. Nach Angaben der WHO starben im Jahr 2019 900 000 Neugeborene daran. In Ungarn enden 8-9% der Geburten mit einer Frühgeburt, was unter dem internationalen Durchschnitt liegt. Experten zufolge ist dies auf die traditionell strengere Schwangerenvorsorge in Ungarn zurückzuführen.
Babys, die mit einem Gewicht von weniger als 1000 Gramm geboren werden, haben die geringsten Überlebenschancen und kommen in der Regel mit 28-30 Wochen zur Welt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse unserer Analyse ist, dass ein einfacher Scheidenabstrich mit einem Abstrichbrüsten das Risiko einer Frühgeburt um bis zu 67% senken kann, was klinisch sehr bedeutsam ist”
– sagt Dr. Eszter Hoffmann Assistenzärztin an Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Semmelweis Universität und Erstautorin der Studie.
Frühgeburten können induziert, das heißt aus medizinischen Gründen herbeigeführt, oder spontan sein. Letztere kann genetisch bedingt sein, durch Muttermundschwäche oder in 30-40% der Fälle durch eine Infektion verursacht werden.
Von einer abnormalen Scheidenflora spricht man, wenn das Gleichgewicht zwischen guten und schlechten Bakterien in der Scheide aus irgendeinem Grund gestört ist, das heißt wenn der pH-Wert in dem als normal geltenden sauren Umfeld ansteigt und alkalisch wird. Dies kann durch viele Faktoren aufgelöst werden, z.B. durch Stress, Essen, Geschlechtsverkehr, einen Strandbesuch, eine Antibiotikakur oder sogar durch eine Schwangerschaft selbst. In einem alkalischen Milieu können sich schädliche Bakterien leichter ansiedeln und vermehren, und die so genannte bakterielle Vaginose (abnormale Veränderungen der Bakterienflora in der Scheide) kann zu Aufwärtsinfektion, Verkürzung der Gebärmutterhöhle und schließlich zu einer Frühgeburt führen.
Zu den Symptomen einer solchen Infektion gehören riechender Ausfluss, Brennen und Schmerzen in der Scheide, aber die Patientinnen haben oft keine Symptome. In diesen Fällen kann ein Screening von Bedeutung sein.
Nach einer Analyse von Forschern der Semmelweis Universität, die Daten von Schwangeren ohne Symptome verglichen, verringerte sich bei regelmäßiger Vorsorge das Risiko einer Geburt vor der 37. Woche um 29%. Das Risiko für ein sehr niedriges Geburtsgewicht unter 2500 Gramm verringerte sich um 36%, das Risiko für eine Frühgeburt nach 32 Wochen um 49%, und die größte Risikoreduzierung (67%) wurde bei einem Geburtsgewicht unter 1000 Gramm beobachtet. Aus den Ergebnissen schließen die Forscher, dass eine Frühgeburt umso wahrscheinlicher auf eine Infektion zurückzuführen ist, je früher sie eintritt.
Statistiken sind nur Zahlen, aber jeder Verlust wird von einer Familie betrauert. Auch langfristige Komplikationen sind bei Frühgeborenen häufig.
In den schwersten Fällen kann es zu Netzhautablösung Atembeschwerden aufgrund der Unreife der Lunge, Schlaganfällen und Sepsis kommen. Glücklicherweise kann die Frühgeborenenversorgung heute Wunder bewirken, aber die Vermeidung von Komplikationen ist immer noch sehr wichtig”– erklärt Dr. Eszter Hoffmann.
Eine früheren Studie zufolge können von jedem 46 EUR, der für die Untersuchung einer Mutter und die Behandlung einer möglichen Infektion ausgegeben wird, 56,228 EUR dank der Verhinderung einer Frühgeburt eingespart werden. (H. Kiss et. al., 2005.)
„Scheidenabstriche sind derzeit nicht Teil des Protokolls für die Schwangerenvorsorge, und ihre Rolle wird in wissenschaftlichen Kreisen ständig diskutiert. Mehrere frühere Studien in Europa sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Screening auf abnormale Scheidenflora das Risiko einer Frühgeburt verringern kann, aber mehrere amerikanische Berufsorganisationen sehen dies noch nicht als erweisen an. Die Ergebnisse unserer Mega-Analyse deuten darauf hin, dass ein routinemäßiges Screening (z.B. Gram-Färbemethode, pH-Wert-Screening oder eine Kombination davon), das einfach und kostengünstig ist, das Risiko einer Frühgeburt verringern kann”– erklärt Dr. Nándor Ács Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Semmelweis Universität.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Behandlung der bakteriellen Vaginose, z.B. eine Antibiotika- oder Probiotikakur.
In ihrer nächsten Studie werden die ungarischen Forscher die Wirksamkeit der verschiedenen Behandlungen und den genetischen Hintergrund der Frühgeburten untersuchen.
Angelika Erdélyi
Illustration: Attila Kovács, Bálint Barta – Semmelweis Universität
Übersetzung: Patrícia Hellinger