Semmelweis bittet gesunde Frauen und Frauen, bei denen bereits Endometriose diagnostiziert wurde, um Mithilfe bei einer umfassenden internationalen Studie, an der auch die Universität Oxford und die Universität Aarhus in Dänemark teilnehmen. Das Ziel des internationale Forschungsteam ist, um die Früherkennung und Behandlung der Krankheit zu beschleunigen. Gesucht werden Bewerber, die sich bereit erklären, ein Jahr lang jeden Monat einen Fragebogen auszufüllen.

Die Endometriose ist eine chronische gynäkologische Erkrankung unbekannten Ursprungs, bei der es nach Angaben in der Literatur weltweit durchschnittlich sieben Jahre dauert, bis sie diagnostiziert wird. In Ungarn dauert es vier Jahre, in Großbritannien und in den USA doppelt so lange – acht, bzw. neun Jahre.

 

Bei der Endometriose bilden sich ähnliche Zellen, wie in der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium), außerhalb der Gebärmutter , zum Beispiel im Becken, in der Lunge, im Zwerchfell, in der Leber oder in Bauchhöhle. Während die verdickte Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) nach dem Eisprung jeden Monat während der Menstruation aus der Gebärmutter abgestoßen wird, kann sie aus anderen Organen nicht abgestoßen werden und sammelt sich an was zu Verwachsungen und Narbenbildung führt. Die Hauptsymptome der Krankheit sind Beckenschmerzen, schmerzhafte Menstruation, Schmerzen im unteren Rückenbereich, Müdigkeit und Unbehagen beim Geschlechtsverkehr. Im schlimmsten Fällen kann sie zu Unfruchtbarkeit führen.

„In den frühen Stadien der Krankheit kann man leider nur durch eine Laparoskopie (eine Kamera, die an einem dünnen Schlauch befestigt ist, der kleine Löcher in den Unterbauch schneidet) feststellen, ob eine Endometriose vorliegt.

Die Patientengeschichte und die Ultraschallergebnisse können bereits einen Verdacht begründen, aber diese teure und unangenehme Untersuchung ist für einen endgültige Diagnose notwendig“

– sagt Dr. Attila Bokor außerordentlicher Professor und Leiter der Abteilung für minimal-invasive Chirurgie an der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Semmelweis Universität.

Aus diesem Grund bitten Forscher der Semmelweis Universität Frauen im gebärfähigen Alter in ganz Europa, ein Jahr lang jeden Monat einen anonymen Fragebogen über die Mobile App Lucy auszufüllen. Die Forscher hoffen, von den Frauen aus erster Hand Daten über ihre Endometriose-Symptome zu erhalten. Sie werden soziodemografische, psychische und physische Gesundheitsdaten sowie Informationen über die Ernährung und andere Lebensstilfaktoren erfragen, um die Erkennung von Endometriose zu beschleunigen und neue gezielte Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

„Wir brauchen 10.000 Patientinnen mit Endometriose und 10.000 gesunde Teilnehmerinnen, um möglichst genaue Ergebnisse zu erhalten, aber wir sind zuversichtlich, dass die Lucy-App jetzt in ganz Europa nicht nur auf Ungarisch, sondern auch auf Englisch, Dänisch, Französisch Deutsch, Italienisch und Schwedisch verfügbar ist.

Es ist wichtig, dass sich die Teilnehmer jeden Monat ein paar Minuten Zeit nehmen, um den Fragebogen auszufüllen, damit wir ihren Zustand und bei bereits diagnostizierten Patientinnen den Verlauf der Krankheit überwachen können“

– erklärt Dr. Dóra Balogh, Forschungsstipendiantin an der Semmelweis Universität.

Es gibt drei Haupttypen von Endometriose: Eierstock-, Peritoneal- (oberflächliche) und tief infiltrierende Endometriose, die mehrere Organe betreffen kann.

„Wir wollen gemeinsame Merkmale finden, die bestimmen, welche Form der Endometriose sich bei einer Patientin entwickelt. Wir vermuten zum Beispiel, dass der übermäßige Verzehr von gesättigten Fetten, rotem Fleisch und raffiniertem Zucker die Entstehung der Krankheit negativ beeinflussen kann“ – fügt Dr. Attila Bokor hinzu.

Die Daten werden mit Hilfe von KI und maschinellem Lernen von Experten der schwedischen Technischen Universität KTH und Technischen Universität Riga analysiert.

Die Datenerfassung durch die Lucy-App ist Teil des multidisziplinären Forschungsprogramms Finding Endometriosis using Machine Learning (FEMaLe). An dem von der Universität Aarhus in Dänemark koordinierten Horizont 2020 Projekt sind europäische Experten und Institutionen beteiligt, und das Projekt verfügt mit 6 Millionen Euro über eines der größten Forschungsbudgets, die es je im Bereich der Endometriose gab. Es ist das bisher umfassendste Endometriose-Projekt weltweit, das alle Aspekte der Krankheit abdeckt.

„In einer unserer jüngsten Forschungsarbeiten wurde nachgewiesen, dass Endometriose und andere entzündliche Erkrankungen, die mit chronischen Schmerzen einhergehen, möglicherweise einen gemeinsamen genetischen Hintergrund haben. Die Datenerhebung von Lucy im Rahmen des FEMaLe-Projekts könnte unsere Erkenntnisse bestätigen und zu einem besseren Verständnis der genetischen und klinischen Aspekte der Krankheit beitragen“ – erklärt Dr. Christian Becker Co-Direktor des Endometriosis CaRe Centre an der Universität Oxford.

„Endometriose, von der jede zehnte Frau betroffen ist, stellt eine große gesellschaftliche Herausforderung dar, da sich die Kosten der medizinischen Versorgung der Betroffenen im Vergleich zu gesunden Frauen verdreifachen. Die Krankheit kann die Arbeitsfähigkeit, das soziale Leben und die Beziehungen der Patientinnen einschränken und sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirken – in den schwersten Fällen kann sie sogar zu Unfruchtbarkeit führen. Deshalb besteht die Hauptaufgabe von FEMaLe darin, die Zeit bis zur Diagnose zu verkürzen, neue Behandlungsmöglichkeiten zu finden und zur Verbesserung der Lebensqualität der rund um 190 Millionen Frauen weltweit beizutragen, die an dieser Krankheit leiden“– erklärt Ulrik Bak Kirk, leitender Berater und Projektkoordinator an der Universität Aarhus.

Die FEMaLe-Forschung begann im Jahr 2021 und wird bis 2024 laufen.

Sie können die Umfrage hier abonnieren: https://hellolucy.app/en/ oder die App bei Google Play und im Apple Store herunterladen. Nachdem Sie ein Profil erstellt haben, erscheinen die Endometriose-Fragebögen in einem Pop-up-Fenster.

 

Angelika Erdélyi
Illustration: Bálint Barta – Semmelweis Universität; Christian Becker Privatsammlung; Peter Lübben; Stockfoto und Beitragsbild – Envato Elements
Übersetzung: Patrícia Hellinger