Siebenhundert Hautkrankheiten können anhand der von Patienten eingereichten Fotos identifiziert werden, dank einer auf künstlicher Intelligenz basierenden Technologie, die ab Januar in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Dermatoonkologie der Semmelweis-Universität getestet wird, und ab heute kostenlos zur Verfügung steht. Die Universität hat mit dem ungarischen Unternehmen, das die Anwendung entwickelt hat, einen fünfjährigen, langfristigen F&E-Rahmenvertrag unterzeichnet, um gemeinsam weitere, auf künstlicher Intelligenz basierende medizinische Software zu entwickeln und einzusetzen.

Nicht nur verschiedene Arten von Hauttumoren, sondern auch Hautläsionen, die z. B. durch Infektionen und Autoimmunerkrankungen verursacht werden, können durch eine auf künstlicher Intelligenz basierende Technologie erkannt werden, die seit Januar dieses Jahres an der Universität getestet wird – zunächst anhand des großen Fotoarchivs der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Dermatoonkologie.

Mit Hilfe dieser Technologie können anhand der von den Patienten übermittelten Bildern und klinischen Daten 700 Arten von Hautzuständen erkannt werden, was einen erheblichen Teil der bekannten dermatologischen Probleme ausmacht. Die von der KI gestellte Diagnose wird jedes Mal von einem Dermatologen bestätigt. Die Software priorisiert jedoch die ankommenden Fälle, erstellt eine Differenzialdiagnose und stellt sie dem Spezialisten auf einer benutzerfreundlichen Oberfläche zur Verfügung.

 

– erklärt Máté Kovács, Mitgründer der Firma AIP Medical Holding Zrt. Die Software „AIP Derm“ – die schon über eine OGYEI-Nummer verfügt – wurde von der Firma entwickelt. (OGYEI: Nationales Institut für Pharmazie und Ernährung in Ungarn) Nach der Bestätigung der Diagnose vom Facharzt gibt es mehrere Möglichkeiten: Die Applikation teilt dem Patienten mit, dass gegen Läsion nichts unternommen werden kann; das Gutachten wird von einem elektronischen Rezept oder einer Empfehlung für rezeptfreie Arzneimittel begleitet, oder der Patient wird für eine persönliche Beratung an die örtliche Fachklinik überwiesen. Mit Hilfe dieser Technologie, die in ihrem Fachbereich zu den modernsten zählt, ist möglich: Patienten, die eine dringende Behandlung benötigen, schnell und einfach zu untersuchen, mehr Patienten mit weitaus weniger Ressourcen zu behandeln und. so die Wartezeiten und die Zeit bis zur Diagnosestellung zu verkürzen – betonte Máté Kovács.

Die bei dieser Technologie anwendbare, in den USA herausentwickelte Datenbank enthält mehr als 2 Millionen Bilder von verschiedenen Hautläsionen. Bei 300.000 Bildern dieser Datenbank stehen alle Details (Alter, Geschlecht, Lage der Läsion am Körper) zur Verfügung.  Aufgrund dieser Details wird von der KI erkannt, was auf den Bildern steht. Im Rahmen dieser Kooperationsvereinbarung ist die Semmelweis Universität die erste, die dieses System anwendet.

Neben Patientenversorgung ist die Technologie auch in der Bildung – beim Lernen und Prüfungen – anzuwenden. Durch die Technologie werden auch klinische Untersuchungen unterstützt. So wird zum Beispiel getestet, wie gut ein Assistenzarzt, ein Pathologe, ein Spezialist und künstliche Intelligenz eine Läsion erkennen können.

Mit Hilfe des neuen Systems kann die teledermatologische Behandlung – die seit einiger Zeit in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Dermatoonkologie schon erreichbar ist – effektiver benutzt werden. Die mögliche Diagnose wird also von der Applikation, d.h. von der KI gestellt. Und die Aufgabe des Arztes wird sein, diese Diagnose zu bestätigen, und sie beim Bedarf zu modifizieren – erklärte Dr. Adrienn Poór, Seniordozentin der Klinik. Laut Plan werden täglich 2-3 Ärzte am Prozess teilnehmen. Ab dem 24. März kann diese Dienstleistung von den Personen, die über eine gültige Krankenversicherung in Ungarn verfügen, kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Patienten können es vom ganz Ungarn tun, nachdem sie sich ins System registriert, und die Bilder über das Problem hochgeladen hatten. Aufgrund dieser Daten werden die Experte den Patienten eine Rückmeldung geben. Die Zeit der Rückmeldung hängt natürlich von der Anzahl, Schwere des Falles, vom Datum des Einreichens und der Kapazität des Anbieters ab.

Wenn außer Rezeptschreiben auch eine persönliche Konsultation nötig ist, können Patienten, die der Klinik angehören, einen Termin in der Fachklinik erhalten, während andere an das zuständige örtliche Versorgungszentrum verwiesen werden.

Die Kooperation zwischen der Semmelweis Universität und der Fa. AIP Labs – die ein Technologiedienstleistungsunternehmen ist, das auf künstlicher Intelligenz basierende medizinische Geräte entwickelt, und auf den Markt bringt – geht über die Nutzung und gemeinsame Entwicklung einer Dermatologie-App hinaus. Das gemeinsame Ziel der Partner ist, eine solche F&E-Zusammenarbeit zu gestalten, die sich vor allem auf die Entwicklung medizinischer Software auf der Grundlage künstlicher Intelligenz, die telemedizinische Versorgung und die gemeinsame Erforschung und Anwendung der neuesten Methoden der künstlichen Intelligenzdiagnostik konzentriert. Das nächste Gebiet nach Dermatologie wird die Kardiologie sein, indem die Entwicklung eines Entscheidungshilfe-Tools für Ärzte geplant ist.

Für die Semmelweis Universität haben alle Projekte, die auf künstlicher Intelligenz basieren, hohe Priorität, und wir halten es für wichtig, uns an der Entwicklung solcher Produkte zu beteiligen, da dies einer der neuen Wege in die Zukunft ist 

– betonte Dr. Béla Merkely, Rektor der Semmelweis Universität, Direktor des Városmajor Herz- und Gefäßzentrums. Die auf KI basierenden Entwicklungen tragen dazu bei, damit der Personalbedarf – d.h. der zeitliche Aufwand bei der Arbeit des medizinischen Personals – niedriger und die Sicherheit der Patientenversorgung höher werden – sagte er noch. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die künstliche Intelligenz nur ein Mittel ist. Die KI trifft also keine Entscheidungen, sie unterstützt, fördert und beschleunigt nur die Erstellung des medizinischen Gutachtens.

Mit Hilfe der KI können fast in allen medizinischen Bereichen Entscheidungshilfe-Tools gestaltet werden. Die Universität wendet sie schon in mehreren medizinischen Bereichen an, und auch im Thema Kardiologie wurden bislang zahlreiche Publikationen veröffentlicht. Im Rahmen der oben genannten Kooperation kann ein solches Entscheidungshilfe-Tool im Bereich Kardiologie entwickelt werden, wodurch die Patientenversorgung schneller, sicherer und wirksamer wird.

Mit Hilfe der künstlichen Intelligenz – aufgrund zahlreicher strukturierter Daten, die von erfahrenen Ärzten validiert wurden – kann auch ein jüngerer Arzt Entscheidungen mit der gleichen Effizienz treffen, wie ein Kollege mit dreißig Jahren Erfahrung, der Hunderttausende von Fällen gesehen hat.

 

Pálma Dobozi, Orsolya Dávid
Foto: Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák