Im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum der Semmelweis Universität wurde vor wenigen Tagen die 643-ste Herztransplantation durchgeführt. Der erste Eingriff in Ungarn wurde am 3. Januar 1992 unter Leitung des damaligen Klinikdirektors Dr. Zoltán Szabó gemacht. Noch im gleichen Jahr führte man drei weitere Transplantationen durch. In den letzten drei Jahrzehnten ist die Klinik zu einem – Europas führenden Transplantationszentren – geworden.  In unserem Jubiläumsartikel stellen wir die Geschichte der Herztransplantation in Ungarn sowie die des Klinikpatienten vor, der am längsten mit einem fremden Herzen lebt.

Krisztián Hoffer feierte im letzten November seinen „zweiten Geburtstag“, das 24-ste Jubiläum seiner Herztransplantation. An diesem Tag kommt jedes Jahr eine zweite Geburtstagstorte auf den Tisch – sagt Krisztián Hoffer. Und wenn er kann, zündet er auch eine Kerze am Grabstein auf dem Friedhof in der Fiumei Straße an, um den anonymen Organspendern zu gedenken. 

Die schicksalhafte Herztransplantation wurde am 29. November 1997 vom Universitätsprofessor Dr. Elek Bodor im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum bei dem damals 18-jährigen Krisztián durchgeführt. Vor dem Eingriff lag der junge Mann fast völlig bewegungsunfähig eineinhalb Jahre im Bett im Landesinstitut für Kardiologie. Er war in einem so schlechten Zustand, dass er am Ende nur 38 Kilo wog und mehrmals wiederbelebt werden musste.

Als der Arzt nach der OP sein krankes herausoperiertes Herz sah, sagte den Eltern: Es ist ein Wunder, dass er die Transplantation noch erlebt hat, denn es ist medizinisch unmöglich, mit einem solchen Herzen zu leben.

– erinnert sich der heute 44-jährige Mann. Die Tatsache, dass die Operation doch gelingen konnte, ist seiner starken – in der Familie wohlbekannten – Eigenwilligkeit zu danken Das trieb ihn schon als Kind an, als er wegen seines angeborenen Herzfehlers immer etwas müder war als andere, aber er ging trotzdem wandern, spielte Fußball, ging täglich ins Fitnessstudio, und das half ihm auch nach der Transplantation. Nach dem Eingriff verbesserte sich seine Lebensqualität deutlich – sagt er. Es dauerte jedoch lange Zeit, bis er seine alte Kondition wieder erreichen konnte. Und als Herztransplantierter das Leben zu gestalten, ist auch nicht leicht – erklärte er.

24 Jahre mit neuem Herzen – Langzeitüberleben nach Herztransplantation

Mit seinem vor 24 Jahren implantierten neuen Herzen hält Krisztián Hoffer den Rekord in der Social-Media-Gruppe, deren Mitglieder Herztransplantierte von Ungarn sind.  Dies ist auch eine Verantwortung für ihn – da es sehr wichtig ist, damit er Vorbild ist und Hoffnung seinen Weggefährten geben kann. Und auch denjenigen, die ebenso auf Transplantation warten. Um 24 Jahre nach einer Transplantation körperlich und psychisch in guter Gesundheit bleiben zu können, muss man viel Sport treiben. Deshalb organisierte er letztes Jahr Fahrradtouren um mehrere ungarische Seen, mit einem kleinen Team radelten sie den Welenzer See, den Theiß-See um, und machten auch eine kleine Runde um den Plattensee – erzählte Krisztián, und zeigte die auf den verschiedenen Touren gesammelten Kühlmagnete. Zu den diesjährigen Plänen gehören Touren um den Neusiedlersee und eine komplette Runde um Plattensee, auf die er noch mehrere Mitbürger mitnehmen möchte.

Krisztián Hoffer ist die Person, die in Ungarn am längsten mit einem neuen Herzen lebt, und dessen Nachsorge ebenfalls im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum erfolgt. Die erste Herztransplantation in Ungarn fand hier vor 30 Jahren, am 3. Januar 1992, nach mehreren Jahren intensiver Vorbereitung, statt.  Nach den ausländischen Studienreisen wurde zuerst an toten Menschen geübt, das Herz wurde entfernt und dann wiedereingesetzt. Später wurden Hunde mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine (HLM) operiert. Es wurden 25-30 Krankenschwester und Assistenten vorbereitet, um die transplantierten Patienten jede Minute versorgen zu können. Wir mussten auch ein Buch von einigen hundert Seiten schreiben, indem das Protokoll der Transplantation zusammengestellt wurde – sagte der im Jahre 2015 verstorbene Professor für Herzchirurgie Dr. Zoltan Szabó – der die erste Herztransplantation in Ungarn durchführte – in einem früheren Interview.

Der erste Patient, der in Ungarn ein neues Herz erhielt, war Sándor Schwartz, der 28 Jahre mit seinem neuen Herzen lebte, und im November 2019 im Alter von 56 Jahren verstarb.

„Am nächsten Tag nach der Operation, an einem Samstagmorgen, konnten wir den Schlauch herausziehen und das Beatmungsgerät abschalten. Danach brachte ich Sándor ein Glas Orangensaft – ich dachte, wir werden eine ruhige Woche haben. Wir haben vereinbart, dass wir mit Veröffentlichung der durchgeführten Operation eine Woche warten. Wir wollten ja keine voreilige Ankündigung machen, bevor der Patient nicht völlig gesund ist. Die Ereignisse nahmen aber einen anderen Verlauf. Um halb sieben morgens klingelte das Telefon, und der damalige Gesundheitsminister László Surján wollte wissen, wie der Stand ist. Dann kamen die Journalisten; es war einer dabei, der über den Zaun der Klinik kletterte, weil er Informationen haben wollte“ – erzählte der Professor Dr. Zoltán Szabó über die damaligen Zeiten.

Chirurgische Bravourleistung vor 30 Jahren

In den vergangenen 30 Jahren wurden 643 Herztransplantationen im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum gemacht.  2007 startete man mit Kinder-Herztransplantation im György Gottsegen Landesinstitut für Kardiologie (heute bekannt als György Gottsegen Ungarisches Kardiovaskuläres Institut). Seither erhielten dort 72 Patienten ein neues Herz, so überschritt die Anzahl der ungarischen Transplantationen die Zahl von 700.

Die erste Herztransplantation vor 30 Jahren war eine echte chirurgische Bravourleistung, dies erforderte eine enorme und bahnbrechende organisatorische Arbeit auch. Es brauchte Mut seitens des Chirurgen, den ersten derartigen Eingriff in Ungarn durchführen zu wollen, und es brauchte Mut seitens des Patienten auch, sich als erster in Ungarn einer Herztransplantation zu unterziehen” – erklärte Dr. Zoltán Szabolcs, Universitätsprofessor des Városmajor Herz- und Gefäßzentrums. Nach der Pensionierung von Dr. Zoltán Szabó übernahm Dr. Elek Bodor im Jahre 1993 den Staffelstab, und es ist sein Verdienst, dass ein komplexes Herztransplantationsprogramm aufgebaut wurde. Ab dem Jahre 2003 lief das Programm unter Leitung von Dr. Zoltán Szabolcs weiter, und er selbst führte mehr als 120 Herztransplantationen durch.

Nach seiner Auffassung erfolgte in den letzten 330 Jahren keine wesentliche Änderung in der OP-Technik. Auch die Dauer der Operation änderte sich nicht erheblich: die erste Transplantation dauerte zweieinhalb Stunden, heute wird sie – nach der erworbenen Routine – in zwei Stunden gemacht. Die größten positiven Änderungen im Programm und bei den Patienten war die Gestaltung einer nationalen Warteliste und der Spenderkoordination, sowie die Entwicklung der immunsuppressiven Therapie zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen und die Anerkennung der Bedeutung der Nachsorge. Gegenwärtig gibt es an jedem Tag des Jahres etwa 60 – an einer Herzinsuffizienz vom Endstadium leidende Patienten auf der Warteliste. Für sie kommt die Transplantation als einzige Lösung in Frage.

Dr. Zoltán Szabolcsi betonte: das Herztransplantationsprogramm ist eine Teamarbeit. Zum Erfolg ist die gemeinsame harmonisierte Zusammenarbeit von 100-120 Personen nötig, von der Reinigungskraft über den Spenderbetreuer, den Betreiber der Herz-Lungen-Maschine (HLM), bis hin zu den Herzchirurgen und den vielen anderen Experten, die am Transplantationsprogramm teilnehmen.

Die Transplantation besteht aus fünf Etappen, sie müssen miteinander verbunden sein, damit sowohl das Programm als auch die einzelnen Transplantationen erfolgreich sind. Der erste Schritt ist das Spendermanagement. Während dieser Etappe ist der hirntote Spender so zu behandeln, wie alle andere Patienten in der Intensivstation. Das Ziel ist, mit den Spenderorganen das Leben anderer Menschen retten zu können. Der zweite Schritt ist die Auswahl des Rezipienten, der das Spenderorgan bekommt. Danach kommen das Entfernen und dann das Einsetzen des Spenderorgans. Nach der OP folgt eine intensive postoperative Therapie, die in schweren Fällen Wochen bis Monate dauern kann. Und zuletzt kommt die Nachsorge, die lebenslang notwendig ist. 

Die Városmajor-Klinik: Europas führendes Herztransplantationszentrum

„In den letzten 30 Jahren haben wir das Városmajor Herz- und Gefäßzentrum zu einem der führenden Herztransplantationszentren in Europa entwickelt können. Jeder Schritt hatte eine wichtige Rolle. Der erste Schritt, der von Dr. Zoltán Szabó gemacht wurde, hat eine besonders große Bedeutung. Ohne seine Pionierarbeit hätten wir die Errungenschaften nicht erreicht, auf die wir heute so stolz sein können“ – betonte der Klinikdirektor und Rektor der Semmelweis Universität, Dr. Béla Merkely. Wie er erzählte, hatte er noch nicht einmal sechs Monate in der Klinik gearbeitet, als er durch die Gerüchteküche erfuhr, dass im OP-Saal die erste Herztransplantation lief. Als junger, neugieriger Arzt konnte er in den OP-Saal rein, und was er dort sah, war für ihn eine lebensbestimmende Erfahrung. Mitglied des damaligen Teams war auch Dr. Zoltán Szabolcs, nach Einsetzen des neuen Herzens war er derjenige, der die Haut zusammennähte.

Der Rektor betonte: ein wichtiger Schritt für das Herztransplantationsprogramm war, dass die Operationen seit 2012 in einer einheitlichen Klinik durchgeführt sind (die Városmajor Klinik existiert ab diesem Jahr in ihrer heutigen Form) und eine Intensivstation speziell für Kunstherzbehandlungen und Herztransplantationen gestaltet wurde. Der Beitritt zu Eurotransplant im Jahre 2013 und der Start des Kunstherzprogramms waren wichtige Schritte zur Erhöhung der chirurgischen Aktivität.

Durch die Entwicklung unserer HR-Ressourcen sind wir dazu gekommen, dass wir ein 20-köpfiges engagiertes Ärzteteam für Herztransplantation, das aus Herzchirurgen, Anästhesisten, Intensivmedizinern, Kardiologen, Internisten, Immunologen und Rehabilitationsspezialisten besteht, gestalten konnten. An der Spitze unserer Entwicklung steht eine neue spezielle postoperative Transplantationsstation mit 10 Einzelzimmern für die postoperative Betreuung von Herztransplantationspatienten, die gemeinsam mit der bereits seit 11 Jahren bestehenden, hochqualitativen und spezialisierten Intensivstation für Kunstherz- und Herztransplantationen mit acht Betten, betrieben wird. Die neue Abteilung wird noch dieses Jahr fertig, die in jeder Hinsicht zu Europas Spitzeninstituten gehören wird. 

Auch bei der Kreislaufunterstützung wurden große Fortschritte erzielt: 10-12 Patienten stehen derzeit auf der Warteliste, die längere Zeit an Kunstherz gebunden leben. Und Patienten in instabilem Zustand können Kunstherz für eine vorübergehende Zeit bekommen. Es ist kein Zufall, dass die Városmajor Klinik eine Hochburg der ECMO-Behandlung (extrakorporale Membranoxygenierung) ist, wie es sich während der COVID-19 gezeigt hat – betonte der Rektor.

Galerie

8bilder

Im internationalen Vergleich liegt Ungarn bezüglich Anzahl der Herztransplantationen pro eine Million Einwohner auf Platz 5-6, und das Városmajor Herz- und Gefäßzentrum erreichte 2019 den zweiten Platz unter den Zentren mit den meisten Transplantationen in Europa. Die COVID-19-Pandemie führte zu einem Rückgang der Zahl der Transplantationen auf internationaler Ebene, aber die Klinik ist bereit, nach Abklingen der Pandemie wieder die höchstmögliche Zahl von Herztransplantationen durchzuführen.

Pálma Dobozi
Foto: Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák