An der Semmelweis Universität wurde eine in Ungarn einzigartige neunköpfige Arbeitsgruppe gebildet, deren Aufgabe die Untersuchung und Behandlung Beckenschmerzen und Funktionsstörungen im Bereich ist. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind Experte von mehreren medizinischen Berufen. Durch interdisziplinäre oder fächerübergreifende Arbeitsweise können die Patienten ihre Diagnose schneller bekommen, sie brauchen keine weitere ärztliche Einweisung; alle Untersuchungen führt man an der Universität durch, und der Prozess wird dadurch viel schneller.

Bestimmte Krankheiten der Organe im Beckenbereich – wie z.B. Die chronische Prostataentzündung bei den Männern, sowie die Endometriose bei den Frauen verursachen am häufigsten Beckenschmerzen, aber auch neurologische Erkrankungen können zu chronischen Schmerzen führen – erklärte Dr. Miklós Romics, Facharzt der Klinik für Urologie, dessen Idee die Gestaltung dieser Gruppe war. Nach seiner Aussage ist diese Arbeitsgruppe die einzige Arbeitsgemeinschaft mit solchem Fokus.

Von chronischen Beckenschmerzen – länger als sechs Monate bestehende Beschwerden – sind 10-15 Prozent der Frauen über 25 Jahre, bzw. 20 Prozent der Männer betroffen – erklärte Dr. Orsolya Oláh, Gruppenmitglied und Fachärztin für Gynäkologie. Laut Aussage der Fachärztin der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie der Abteilung in der Üllői Straße werden etwa 40 Prozent der gynäkologischen diagnostischen Laparoskopien wegen Beckenschmerzen durchgeführt, und bei 60 Prozent dieser Eingriffe gibt es pathologische Läsionen im Hintergrund. Sie können tatsächlich Organprobleme sein, wie z.B. ovarielle Läsionen, Myome, Adenomyose, aber auch bei der – wegen Chlamydien verursachten chronischen Beckenentzündung – kann man solche Beschwerde haben – erklärte die Fachärztin. Diese Krankheiten gehören zu den leichter identifizierbaren Erkrankungen, es gibt aber auch solche seltenen Krankheiten, bei denen die Ärzte längere Zeit zum Aufstellen der Diagnose brauchen. Die Patienten, die zu schwer diagnostizierbarer Kategorie gehören, sind häufig mehrmals untersucht, sie verlieren die Hoffnung und sind nach den jahrelangen erfolglosen Behandlungen im schlechten psychischen Zustand. Aus dem Grund nimmt auch ein Psychologe an der Arbeit der Gruppe teil, da die psychologische Beratung in solchen Fällen auch eine wichtige Aufgabe ist.

Es kommt häufig vor, dass man nicht sagen kann, woher – von welchem Organ – der Schmerz kommt, und oft ist das Organ, das vom Patienten als Schmerzquelle angegeben wird doch nicht der wahre Grund der Beschwerden. Ein Facharzt konzentriert in erster Linie auf sein Fachgebiet, obwohl es doch vorkommen kann, dass die Ursache in einem ganz anderen Bereich zu suchen ist. Ein Urologe könnte die Meinung haben, dass die Unterleibschmerzen wegen Blasenproblem auftraten; es kann aber sein, dass Magen-Darm-Ursachen im Hintergrund stehen. Man muss nicht alles wissen. Aber die Information darüber, wer zu fragen ist, wenn wir keine Idee mehr haben, ist sehr wichtig – meint der Facharzt der Klinik für Urologie. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe wurden so ausgewählt, dass die Ursachen der Beckenschmerzen für jeden in seinem Fachbereich gut bekannt sind. In der Arbeitsgruppe sind neben der Fachärztin für Gynäkologie (Dr. Orsolya Oláh) und den Urologen (Dr. Miklós Romics und Attila Majoros PhD-Student) auch ein Neurologe (Dr. Dániel Milanovich), ein Chirurg & Proktologe (Dr. Péter Ónody), ein Radiologe (Dr. Bence Fejér), ein Anästhesist (Dr.Kristóf Perczel), eine Psychologin (Dr. Éva Pintér) und eine Physiotherapeutin (Barbara Kovács) tätig. Mit Hilfe dieser Arbeitsgruppe, wodurch die Ursache der Krankheit auf multidisziplinäre Weise gesucht wird, kann die nötige Diagnose schneller aufgestellt werden.

Statt 6-7 separater Arztbesuche werden die Fälle von der Arbeitsgruppe gemeinsam diskutiert, so kann die Entscheidung schneller getroffen und die Empfehlung auf den nächsten diagnostischen Schritt bzw. auf mögliche therapeutische Maßnahme leichter gemacht werden – erklärte Dr. Miklós Romics. Die ganze Arbeit läuft innerhalb der Universität, so ist die Kommunikation oder Abstimmung der Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungen unter den Kollegen schneller und einfacher. Für den Patienten, der sonst hin und her geschickt wird, ist diese Möglichkeit eine große Erleichterung; nach dem ersten Besuch bei der Arbeitsgruppe wird er beim zweiten Treffen vom Behandlungsarzt so empfangen, dass der Arzt seine Anamnese in groben Zügen kennt, seine bisherigen Testergebnisse schon gesehen hat. Der Patient braucht seine Krankengeschichte nicht erneut zu erzählen. Dies gibt ein ziemlich großes Sicherheitsgefühl dem häufig schon enttäuschten Patienten – erklärte Dr. Orsolya Oláh.

Die Arbeitsgruppe kann durch jegliches Mitglied der Gruppe kontaktiert werden; falls der betroffene Kollege den Fall nicht lösen kann, oder die Ursache des Schmerzes für ihn nicht eindeutig ist, gibt er den anderen Mitgliedern der Gruppe den Fall weiter.

Zu den zukünftigen Plänen der Gruppe gehört u.a. die Einführung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden an der Universität. Als Beispiel nannten sie die sakrale Neuromodulation: dies ist praktisch ein Beckenbodenschrittmacher, der an die Wirbelsäule implantiert wird. Dadurch können Änderungen in der Funktion des sakrales Rückenmarkssegments  erreicht werden – erklärte Dr. Miklós Romics. Dieses Segment ist für einen bedeutenden Teil für die Innervation der Beckenorgane – incl. Schmerzgefühl – zuständig. Durch diesen Eingriff können Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang sowie Beckenschmerzen behandelt werden – fügte er noch dazu.

 

Bernadett Bódi
Foto: Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák