Frauen, bei denen eine HPV-Infektion (humanes Papillomavirus) im Gebärmutterhals diagnostiziert wurde, tragen laut einer neuen globalen Studie der Semmelweis Universität mehr als doppelt so häufig auch das Virus im Mund als Frauen ohne genitale HPV-Infektion. Bei jeder achten Frau mit einer Infektion im Gebärmutterhals wurde HPV im Mund nachgewiesen. Dies lässt neue Bedenken hinsichtlich des oft übersehenen Risikos von HPV-bedingten Krebserkrankungen im Mund- und Rachenraum aufkommen.
Die umfassende Metaanalyse von 41 Studien* mit über 5.000 Frauen aus fünf Kontinenten war die erste Untersuchung, die sich mit der Frage befasste, ob eine HPV-Infektion im Gebärmutterhals das Risiko einer oralen HPV-Infektion erhöht. Die Analyse zeigt, dass orale HPV-Infektionen bei Frauen mit Gebärmutterhalskrebs deutlich häufiger auftreten – 13 % gegenüber 4 % bei HPV-negativen Frauen –, was einem 2,22-fach erhöhten Risiko entspricht. Darüber hinaus hatten 17 % der Frauen, die sowohl eine HPV-Infektion im Gebärmutterhals als auch eine positive Zytologie aufwiesen, auch eine HPV-Infektion im Mund.
HPV ist die weltweit häufigste sexuell übertragbare Infektion. Schätzungsweise sind 630 Millionen Menschen davon betroffen und etwa 5 % aller Krebserkrankungen werden durch HPV verursacht, wie in der kürzlich im Journal of Dental Research veröffentlichten Studie heißt. Während die Rolle von HPV bei Gebärmutterhalskrebs weithin bekannt ist, ist HPV auch eine wichtige Ursache für Mund- und Rachenkrebs, insbesondere in den Mandeln und am Zungengrund.
„HPV im Gebärmutterhals kann ein Warnsignal für ein erhöhtes Infektionsrisiko sein“ – sagte Dr. Noémi Katinka Rózsa, Direktorin der Klinik für Kinderzahnheilkunde und Kieferorthopädie der Semmelweis Universität und Hauptautorin der Studie. “Eine von acht dieser Frauen trägt auch HPV im Mund, fast immer ohne Symptome – während diese Zahl bei Frauen ohne HPV im Gebärmutterhals auf eine von fünfundzwanzig sank.“
HPV wird am häufigsten sexuell durch Haut- und Schleimhautkontakt übertragen, wodurch das Virus vom Gebärmutterhals in den Mund gelangen kann. Meistens stecken Frauen, die HPV im Gebärmutterhals haben, ihre Partner an und werden dann durch Oralsex erneut infiziert. In einigen Fällen kann der männliche Partner HPV aus einer früheren Beziehung mitbringen.
Obwohl sich diese Studie auf Frauen konzentrierte, haben Männer ein höheres Risiko für HPV-bedingte Mund-Rachen-Krebserkrankungen, mit insgesamt fast 22.000 diagnostizierten Fällen pro Jahr, wobei die Rate bei Männern viermal höher ist als bei Frauen. Dies ist möglicherweise auf eine höhere Viruslast im Gebärmutterhals zurückzuführen, wodurch heterosexuelle Männer beim Oralverkehr einem höheren HPV-Risiko ausgesetzt sind.
Es gibt etwa 200 HPV-Typen, von denen über 20 mit Krebs in Verbindung gebracht werden. Fast alle sexuell aktiven Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit dem Virus, aber HPV-Infektionen werden oft auf natürliche Weise bekämpft. Wenn das Virus jedoch persistiert, kann es schließlich zu bösartigen Veränderungen führen und Krebs verursachen.
Obwohl HPV vor allem als Ursache für Gebärmutterhalskrebs bekannt ist, kann es auch zu immer häufiger auftretenden Krebserkrankungen des Anus, des Penis, der Vagina, der Vulva und des Oropharynx, dem mittleren Teil des Rachens hinter dem Mund, führen.
„Wir haben die höchste Prävalenz von oralem HPV bei Frauen festgestellt, die sowohl HPV-positiv im Gebärmutterhals waren als auch eine abnormale Zytologie aufwiesen, was meist durch eine HPV-Infektion verursacht wird. Wenn Läsionen auftreten, deutet dies darauf hin, dass HPV bereits seit längerer Zeit im Gebärmutterhals vorhanden ist, was das Risiko einer Ausbreitung auf Mund und Rachen erhöht“ – erklärte Dr. Adél Eszter Mózes, PhD-Studentin der Zahnmedizin an der Semmelweis Universität und Erstautorin der Studie.
Die Forscher warnen, dass dank Vorsorgeprogrammen für Gebärmutterhalskrebs die Krebsraten in Ländern mit hohem Einkommen zwar drastisch gesunken sind, HPV-bedingte Mund- und Rachenkrebserkrankungen jedoch zunehmen.
Derzeit gibt es keine Standardvorsorgeuntersuchung für orale HPV-Infektionen, und die U.S. Food and Drug Administration (US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel – FDA) empfiehlt aufgrund fehlender validierter Testverfahren und der geringen Prävalenz keine flächendeckenden Untersuchungen. Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch einen klaren Zusammenhang zwischen HPV-Infektionen im Gebärmutterhals und im Mundraum, was darauf hindeutet, dass die Prävalenz in bestimmten Risikogruppen möglicherweise nicht so gering ist.
Derzeit ist die Früherkennung äußerst schwierig, da HPV-bedingten Kehlkopfkrebserkrankungen keine eindeutigen Läsionen im Mund- und Rachenraum vorausgehen. Die Identifizierung von Frauen mit zervikalem HPV als Risikogruppe könnte jedoch neue Wege für die Prävention eröffnen, darunter eine engmaschigere Überwachung und Überweisung an Hals-Nasen-Ohren-Ärzte (HNO) oder Zahnärzte“ – fügte Dr. Mózes hinzu.
Ohne zuverlässige orale HPV-Tests bleibt die Impfung die wichtigste Präventionsmaßnahme.
„Die HPV-Impfung bietet mindestens 15 Jahre lang einen bis zu 90-prozentigen Schutz vor dem Virus, einschließlich der Typen, die am häufigsten Krebs verursachen. Allerdings liegt die weltweite Impfquote immer noch unter den Zielvorgaben, und das öffentliche Bewusstsein ist nach wie vor gering“ – fügte Dr. Nándor Ács, Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie und Mitautor der Studie, hinzu.
Der erste HPV-Impfstoff wurde 2006 zugelassen, und 2020 erweiterte die FDA die Anwendung des Impfstoffs, der vor den neun gefährlichsten HPV-Stämmen schützt, um Mund-Rachen- und andere Kopf-Hals-Krebserkrankungen zu verhindern. Eine Herdenimmunität ist jedoch noch in weiter Ferne, da die Impfquote in den WHO-Regionen zwischen 29 % und 60 % liegt und damit weit hinter dem Ziel von 80–90 % zurückbleibt.
Hochriskante HPV-Infektionen im Gebärmutterhals verlaufen symptomfrei und zeigen keine Anzeichen, bis Veränderungen durch Vorsorgeuntersuchungen festgestellt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung regelmäßiger HPV- und und Pap-Tests.
* Alle Studien in der Metaanalyse erfüllten strenge Kriterien, darunter die Untersuchung auf die neun Genotypen, gegen die der am häufigsten verwendete HPV-Impfstoff wirksam ist, der vor den gefährlichsten Stämmen des Virus schützt.
Übersetzung: Judit Szlovák