Der ungarische Forschungsastronaut Tibor Kapu nimmt für seine zweiwöchige Mission 25 wissenschaftliche Experimente an Bord der Internationalen Raumstation mit, von denen zwei von Forschern der Semmelweis Universität initiiert wurden. Auf dem wissenschaftlichen Programm stehen auch ein Telemedizin-Experiment zur Bekämpfung von Gesundheitsproblemen – Herz-Kreislauf- und Gleichgewichtsstörungen – während des Raumflugs – sowie die Verwendung einer auf Nano-Fasern-basierter ophthalmischer Arzneimittelformulierung unter Mikrogravitationsbedingungen.
Die Semmelweis Universität ist auch ein aktiver Teilnehmer des HUNOR-Raumfahrtprogramms. Ihre Aufgabe ist es, die medizinische Versorgung sicherzustellen, wozu auch die medizinische Auswahl und Ausbildung der Astronauten sowie die Überwachung ihres Gesundheitszustands gehören. Der Gesundheitszustand des ungarischen Astronauten Tibor Kapu wird von Dr. Klaudia Vivien Nagy, Assistenzprofessorin an der Városmajor Herz- und Gefäßklinik, als von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) akkreditierte Weltraumärztin überwacht. Darüber hinaus ist die Semmelweis Universität an zwei Forschungsprojekten beteiligt.
Das Projekt TESH (Telemetry System of Space Health – Telemetrie System für die Weltraumgesundheit) hat zum Ziel, Gesundheitsprobleme während Weltraumflügen zu untersuchen. Es handelt sich um ein multimodales, nicht-invasives telemedizinisches Experiment, das sich in erster Linie auf frühzeitige kardiovaskuläre und neuro-vestibuläre Veränderungen während der Raumfahrt konzentriert – erklärte Dr. Klaudia Vivien Nagy.
Bereits bei Kurzzeitmissionen können Symptome wie Blutdruckschwankungen oder Gleichgewichtsstörungen auftreten, die durch Anpassungsprozesse des Herz-Kreislauf-Systems und der für das Gleichgewicht zuständigen (vestibulären) Organe entstehen. Ziel des Experiments ist es, diese Prozesse besser zu verstehen und langfristig auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen ein telemedizinisches System zu entwickeln, das die kontinuierliche Bewertung und sogar die automatische Überwachung des Gesundheitszustands von Astronauten ermöglicht.
Während der Untersuchung tragen die Probanden ein spezielles Smart-Shirt, das kontinuierlich den Herzrhythmus (EKG), die Atmung, die Körpertemperatur, die Bewegung und die Herzfrequenzvariabilität aufzeichnet. Darüber hinaus gehören ein 24-Stunden-Blutdruckmessgerät, Ultraschalluntersuchungen des Herzens und der Blutgefäße, Video-Gleichgewichtstests und Fundusaufnahmen ebenfalls zu den wissenschaftlichen Untersuchungen – erklärte Dr. Klaudia Vivien Nagy. Die im Rahmen des Projekts untersuchten Phänomene treten nicht nur während der Raumfahrt auf, sondern ähnliche Veränderungen lassen sich auch im Laufe des Alterungsprozesses beobachten. Somit könnte das in der Weltraumforschung entwickelte telemedizinische Gerät auch für den Einsatz auf der Erde geeignet sein, wo es die Fernüberwachung von Patienten, die frühzeitige Erkennung von Krankheitszuständen und die Benachrichtigung des medizinischen Personals ermöglichen würde.
Einer der Entwickler des Projekts ist die Semmelweis Universität, weitere Kooperationspartner sind die Technische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität Budapest, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Kanadische Weltraumagentur (CSA).
Die Semmelweis Universität hat als medizinische Einrichtung im Hintergrund des HUNOR-Programms für ungarische Astronauten am Auswahl- und Ausbildungsprogramm teilgenommen. Im Lenkungsausschuss des HUNOR-Programms ist Dr. Béla Merkely, Rektor der Semmelweis Universität und Leiter des Lehrstuhls für Flug- und Raumfahrtmedizin, für die medizinischen Fachaufgaben zuständig. Dr. Klaudia Vivien Nagy, Assistenzprofessorin an der Városmajor Herz- und Gefäßklinik absolvierte als erste in Ungarn die von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) akkreditierte Ausbildung zur Weltraumärztin und unterstützt damit als erste ESA-zertifizierte Weltraumärztin des Landes die Missionen europäischer Astronauten.
Das andere Experiment ist END-SANS, bei dem die Machbarkeit einer neuen Methode zur Verabreichung von Medikamenten mithilfe künstlicher Nanofasern getestet wird. Ein erfolgreicher Test ohne aktive Wirkstoffe könnte zur Entwicklung gezielter Augenbehandlungen im Weltraum und auf der Erde führen.
Als die Universität vor der Auswahl der Astronautenanwärter eine Untersuchung zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung durchführte, wurden die Fachärzte der Augenklinik der Semmelweis Universität mit der ophthalmologischen Grunduntersuchung beauftragt. Damals habe ich geprüft, welcher Belastung die Augen von Astronauten tatsächlich ausgesetzt sind, und anschließend haben wir gemeinsam mit Dr. György Tibor Balogh darüber nachgedacht, wie man die Behandlung potenzieller Augenprobleme während Weltraumflügen vereinfachen könnte – erinnert sich Dr. Zoltán Zsolt Nagy, Direktor der Klinik. In der Mikrogravitation verändern sich nämlich die Durchblutung und die Lymphzirkulation, was zu Ödemen im Auge und auch im Gehirn führen kann. Die veränderte Durchblutung verursacht verschiedene Augenprobleme, eines der typischsten ist die Veränderung der Lichtbrechung des Augapfels, wodurch im Grunde eine Weitsichtigkeit (Hypermetropie) entsteht, die auch die Bedienung der Instrumente erschwert, und es kann sich ein Ödem am Augenhintergrund bilden.
Letzteres wird routinemäßig mit einem Augentropfen behandelt, der den Wirkstoff Nepafenac enthält, aber in der Mikrogravitation ist es nicht möglich, den Wirkstoff auf herkömmliche Weise, d. h. durch Eintropfen in das Auge, zu verabreichen. Ein glücklicher Zufall, dass Professor Baloghs Frau, Dr. Diána Balogh, als Assistenzprofessorin an der Technischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Materialwissenschaften und insbesondere die Bindung von Wirkstoffen und Proteinen an feste Trägerstoffe erforscht. Von ihr kam die Idee, über Nanotechnologie nachzudenken.
Das Ziel der Forschung war es, eine polymerbasierte Einheit aus Fasern in Nanogröße zu entwickeln, die sich auf der Oberfläche des Auges auflöst, nicht toxisch ist und den entsprechenden Wirkstoff binden und an den gewünschten Einsatzort transportieren kann.
„Wir konnten nicht nur einen solchen Inserter in der Größe eines Reiskorns entwickeln, sondern auch die Genehmigung von Axiom und der NASA erhalten, damit Astronauten die Proben ohne aktive Wirkstoff testen können – sagte Dr. György Tibor Balogh, Direktor des Instituts für Pharmazeutische Chemie. Dieses Hilfsmittel wird wie eine Kontaktlinse eingesetzt, indem man den unteren Augenlidrand nach unten zieht. Es verursacht kurzzeitig ein leichtes Fremdkörpergefühl – aber im Gegensatz zu herkömmlichen Augentropfen beispielsweise keine Tränenbildung, da ein Zusatzstoff in den Polymerfasern für die Haftung an der Augenoberfläche sorgt und die Integration in den Tränenfilm beschleunigt – und löst sich dann auf der Augenoberfläche auf und wird lokal resorbiert. Der durch elektrostatische Faserbildung hergestellte Grundstoff ist formbar und lässt sich unter aseptischen Bedingungen präzise dosieren. Der in einem wenige Millimeter großen Insert eingeschlossene Wirkstoff kann so viel effektiver an den Zielort gelangen. Darüber hinaus bedeuten die schnelle Löslichkeit und Absorption des Nanofaserträgers dank seiner enormen spezifischen Oberfläche, dass im Vergleich zu Augentropfen nur ein Drittel oder ein Viertel des Wirkstoffs benötigt wird.
Die Spinsplit Kft. hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pharmazeutische Chemie und der Technischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Budapest die sterilen Proben hergestellt und in die Vereinigten Staaten geliefert. Sie werden jedoch nicht nur im Weltraum, sondern in Kürze auch unter irdischen Bedingungen untersucht. Bald beginnen auch klinische Studien mit gesunden Freiwilligen in der Augenklinik. Dies wird die erste klinische Studie sein, für die sterile Proben an der Fakultät für Pharmazeutische Wissenschaften hergestellt werden – betonte Dr. György Tibor Balogh.
Wir hoffen, dass der erfolgreiche Versuch nicht nur langfristig zur Erhaltung der Gesundheit von Astronauten beiträgt – und damit neben der ungarischen Augenheilkunde und Pharmazie auch die Ergebnisse der Nanowissenschaften international ins Rampenlicht rückt –, sondern auch die Behandlung von Patienten auf der Erde erleichtert und kostengünstiger macht – meinte Dr. Zoltán Zsolt Nagy.
Eszter Keresztes, Melinda Katalin Kiss
Foto: Bálint Barta, Boglárka Zellei – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák