Das Labor für Stammzellen und experimentelle Embryologie am Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie hat bedeutende Fortschritte bei der Erforschung des Darm-Nervensystems und der Heilung des Morbus Hirschsprung gemacht. Dies ist die einzige Forschungsgruppe in Mittel- und Osteuropa, die sich mit der Stammzellentherapie für die Dickdarmnekrose befasst, und ihre Grundlagenforschung wird von einer Gruppe amerikanischer Ärzte zu klinischen Versuchen weiterentwickelt. Die Teilnehmer der VI. Konferenz über Zell-, Entwicklungs- und Stammzellbiologie, deren Gastgeberin im vergangenen Jahr die Semmelweis Universität war, konnten sich ebenfalls einen umfassenden Überblick über die Schwerpunkte der Stammzellforschung und der experimentellen Embryologie in Ungarn verschaffen. Die Forscher erwarten, dass innerhalb von 10 Jahren mehrere Krankheiten mit Hilfe von Stammzelltherapien erfolgreich geheilt werden können.
Der zunehmende Einsatz von Genetik, Molekularbiologie, Zellbiologie, Informatik, Datenwissenschaft, künstlichen Intelligenz, Nanotechnologie und die rasante Entwicklung der internationalen Forschung in den letzten Jahren haben auch die Suche nach einem Heilmittel für bestimmte Krankheiten durch die Stammzelltherapie beschleunigt.
Im Bereich der Medizin gehen die meisten Experten davon aus, dass die auch im Klinikum sicher anwendbaren Stammzelltherapien bereits in den nächsten 10-15 Jahren zur Verfügung stehen werden
– sagte Dr. Nándor Nagy, Professor, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Anatomie, Histologie und Embryologie an der Semmelweis Universität, Leiter des PhD-Programms Embryologie, Stammzellen- und Entwicklungsbiologie und des Labors für Stammzellen und experimentelle Embryologie. Als er 2007 die Leitung des Labors für Stammzellen und experimentelle Embryologie übernahm, lag der Schwerpunkt der Stammzellenforschung noch darin zu verstehen, wie sich aus Stammzellen Gewebe und Zellen entwickeln, wie Stammzellen isoliert und vermehrt werden können und ob zuverlässige Transplantationstechniken entwickelt werden können. Der klinische Bedarf an medizinischen Anwendungen stieg, und auch in der Stammzellforschung setzte sich der Trend durch, Stammzelltherapien für andere Krankheiten zu entwickeln, die so schnell wie möglich, ja sogar mittelfristig, sicher angewendet werden könnten und mit denen sich Behandlungen einführen ließen, die mindestens so wirksam und erfolgreich sind wie die Knochenmarktransplantation bei Leukämie, verschiedenen Lymphomen und Anämie. Die Stammzelltransplantation ist in Ungarn seit den 1980er Jahren in vier Krankenhauszentren verfügbar, und die Voraussetzungen für den von NEAK (Nationale Kasse für Gesundheitsversicherung) finanzierten Eingriff wurden an der Semmelweis Universität im Sommer 2024 geschaffen.
Die Wissenschaft forscht heute vor allem an der sicheren Anwendung der Stammzelltherapie, um sicherzustellen, dass die Stammzellen, ob aus eigenen Zellen oder aus Spenderzellen transplantiert, das gewünschte Therapieziel ohne das Risiko einer abnormen Zellvermehrung, also der Tumorbildung, und möglichst kostengünstig erreichen. Sobald dies biologisch sicher ist, öffnet sich die Tür für den routinemäßigen Einsatz der Stammzelltherapie und der regenerativen Medizin“ – sagte Dr. Nándor Nagy. Bei den derzeitigen Stammzelltherapien werden meist die eigenen Stammzellen des Patienten zurücktransplantiert, und bei Knochenmarktransplantationen wird das Immunsystem des Patienten durch Medikamente geschwächt, damit es die Spenderzellen akzeptiert. Obwohl es in Europa mehrere Zellbanken und in Ungarn etwa 7.000 registrierte Spender gibt, wird die Transplantation von Stammzellen, die unter Laborbedingungen aus den Blutstammzellen eines Spenders programmiert und vermehrt wurden, noch nicht klinisch eingesetzt.
In der Praxis befasst sich die regenerative Medizin mit der Entwicklung von Therapien zum Ersatz oder zur Wiederherstellung von Organen, die aufgrund von Entwicklungsstörungen oder Infektionen geschädigt, degeneriert oder funktionsuntüchtig sind. Mit Hilfe von Stammzellen können transplantierbare Zellen oder Miniaturorgane, so genannte Organoide, für Krankheiten geschaffen werden, die nicht mit Medikamenten behandelt werden können – erklärte Dr. Nándor Nagy. Die Transplantation von Organoiden ist ebenfalls ein vielversprechender Forschungsansatz, da viele der Meinung sind, dass die Transplantation künstlich hergestellter Miniaturorgane – beispielsweise Pankreas-Organoide anstelle von Insulin produzierenden Zellen – eine Garantie dafür ist, dass das Transplantat nur für den durch die Therapie beabsichtigten Zweck funktioniert.
Das Labor von Dr. Nagy befasst sich mit stammzellbasierten Therapiemöglichkeiten für die Entwicklung des Darmtrakts und des Darmnervensystems sowie für die Behandlung von neurointestinalen Erkrankungen, darunter die angeborene Dickdarmerweiterung, den Morbus Hirschsprung. Bei dieser Erkrankung hat der Patient keinen Stuhlgang, der Darminhalt wird nicht weitergeleitet, wodurch sich der betroffene Darmabschnitt entzündet und die Darmwand absterben kann. Derzeit kann die Krankheit nur durch die chirurgische Entfernung des geschädigten, nekrotisch veränderten Darmabschnitts behandelt werden – ein lebensrettender Eingriff, der oft schon im Säuglingsalter erforderlich ist -, eine vollständige Heilung ist jedoch nicht möglich, und die Krankheit erfordert eine ständige medizinische Überwachung.
Unsere Grundlagenforschung zum Verständnis der biologischen Basis der Entwicklungsbiologie des Darmnervensystems hat gezeigt, dass es nicht ausreicht, eine Stammzelle in die gewünschte Richtung zu entwickeln und zu transplantieren, sondern dass sie auch an das Wirtsgewebe angepasst sein muss, um eine Abstoßung oder abnorme Zellvermehrung zu vermeiden. Daran haben wir in den letzten fünf Jahren geforscht, wobei wir wegen den obigen Erkenntnissen auch der Rolle des Immunsystems besondere Aufmerksamkeit schenken“ – sagte Dr. Nándor Nagy.
„Wir arbeiten an der Entwicklung einer Stammzell-Transplantationsmethode zur Korrektur von Entwicklungsdefekten im Dickdarm, um die wissenschaftliche Grundlage dafür zu schaffen. In Ungarn und in Mittel- und Osteuropa sind wir die einzige Forschungsgruppe, die sich mit der Stammzelltherapie des Morbus Hirschsprung befasst, und wir arbeiten eng mit französischen, englischen und israelischen Forschern sowie mit einer Gruppe amerikanischer Ärzte zusammen“ – sagte der Laborleiter. Wie Dr. Nándor Nagy erklärte, war es eigentlich ein glücklicher Zufall, der diese Forschung ins Rollen brachte: Als Forscher, der sich für die Organentwicklung beim Fötus und die abnorme Entwicklung des Darms interessierte, lernte er 2004 auf einer Konferenz den Kinderchirurgen Dr. Allan Goldstein kennen, der sich besonders für die Möglichkeit einer zellbasierten Behandlung von angeborenen Fehlbildungen interessierte, und so entstand die Idee, ihre Interessen zu kombinieren, um eine bessere Heilungsmöglichkeit für diese Krankheiten zu finden. Dies führte dazu, dass Dr. Nándor Nagy zunächst als Postdoktorand und zehn Jahre später als Gastprofessor an die Harvard University in Boston eingeladen wurde.
In den letzten Jahren ist es in dieser Zusammenarbeit gelungen, die Validität der im Labor entwickelten Methode nachzuweisen. Dies gelang durch Untersuchungen an Mäusen und durch die Transplantation von Dünndarmstammzellen von Schweinemodellen in den Dickdarm, nachdem sie in neuronale Stammzellen umgewandelt worden waren.
Langfristig besteht das Ziel darin, eine erfolgreiche Therapie für neurologische Störungen zu finden, indem induzierte pluripotente Stammzellen umprogrammiert und dann in menschliches Gewebe transplantiert und zu Nervenzellen entwickelt werden. Das Labor untersucht derzeit das Verhalten von aus menschlichen Zellen gewonnenen programmierten Stammzellen in embryonalen Umgebungen unter Verwendung von Maus- und Vogelembryonen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung werden bald in einer präklinischen Phase von einem US-Forschungsteam angewendet, wobei beschädigte Darmsegmente von Patienten, bei denen Morbus Hirschsprung diagnostiziert wurde, verwendet werden.
Sobald Stammzelltherapien auch am Menschen getestet werden können, wird die Zahl der Stammzelltherapien weltweit steigen, wenn die Laborkosten für die Stammzellvermehrung deutlich gesenkt werden können, d. h. wenn Bioreaktoren für die Produktion und Kultivierung großer Mengen an Stammzellen mit ausreichender Reinheit entwickelt und verbreitet werden können. Aufgrund der aufwändigen Laboranforderungen, die sie zur teuersten Behandlungsoption machen, kommt die Stammzelltherapie auch heute nur in Betracht, wenn ein Organ irreversibel geschädigt und abgestorben ist. Die Fachwelt ist sich jedoch einig, dass innerhalb von zehn Jahren mehr Krankheiten mit Stammzelltherapien sicher geheilt werden können – betonte Dr. Nándor Nagy. Der stellvertretende Direktor geht davon aus, dass, sobald diese Therapien in der klinischen Praxis stärker verbreitet sind, wird auch die Ausbildung in medizinischer Embryologie und Entwicklungsbiologie sowie in theoretischer und angewandter Stammzelltherapie in der medizinischen Ausbildung einen höheren Stellenwert bekommen.
Melinda Katalin Kiss
Foto: Bálint Barta – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák