Da „Clean Eating“ immer beliebter wird, weist ein Experte der Semmelweis Universität auf die Gefahren hin, die mit einer extremen Version dieser Ernährungsform einhergehen. Der ausschließliche Verzehr von Bio-Lebensmitteln oder Lebensmitteln, die als gesund gelten, kann zu einer sehr restriktiven Ernährung und in einigen Fällen zu psychischen Erkrankungen führen. Laut einer Studie der Semmelweis Universität könnten mehr als ein Drittel der Models anfällig für eine gesunde Esssucht sein, die als Orthorexia nervosa bekannt ist und zu schweren gesundheitlichen Problemen führen kann.

Zu den beliebtesten Vorsätzen für das neue Jahr gehört die Neujahrsvorsatz für einen neuen Lebensstil. Laut Dr. Nikolett Bogár, PhD-Studentin, die am Institut für Verhaltenswissenschaften der Semmelweis Universität zu Essstörungen forscht, ist es jedoch entscheidend, wie wir dies angehen.

Orthorexia nervosa (Orthorexie) ist eine Essstörung, bei der Betroffene nur noch „reine“ Lebensmittel zu sich nehmen. Obwohl die Krankheit erstmals 1997 beschrieben wurde, wird sie von den meisten Experten immer noch diskutiert und irgendwo zwischen Essstörungen und Zwangsstörungen eingeordnet. Das Hauptmerkmal besteht darin, dass sich die Betroffenen auf die Qualität und nicht auf die Quantität der Lebensmittel konzentrieren und nur Lebensmittel zu sich nehmen, die sie für gesund halten. Diese Auswahl ist jedoch oft völlig subjektiv und nicht unbedingt ernährungsphysiologisch angemessen.

„Wenn jemand nur bestimmte Arten von Lebensmitteln isst – zum Beispiel Fisch, Gemüse, grüne Lebensmittel, Rohkost oder ausschließlich kohlenhydratfreie Gerichte – kann er genauso leicht einen Nährstoffmangel entwickeln wie Menschen mit Essstörungen. Sie nehmen nicht genügend Vitamine, Mineralien, Proteine oder Kohlenhydrate zu sich“ – erklärt Dr. Bogár. Die Wahrscheinlichkeit, eine Besessenheit von gesunder Ernährung zu entwickeln, ist in bestimmten Berufen und sozialen Gruppen sogar noch höher.

In einer bahnbrechenden internationalen Studie, die in Eating and Weight Disorders – Studies on Anorexia, Bulimia and Obesity“ veröffentlicht wurde, untersuchten Semmelweis-Forscher erstmals die Prävalenz der Sucht nach gesunder Ernährung bei Models. Die auf Fragebögen beruhende Studie ergab, dass über 35 % der weiblichen Models Anzeichen von Orthorexie aufwiesen. Ebenso zeigten über 20 % der Kontrollgruppe, die hauptsächlich aus jungen Universitätsstudenten bestand, eine Anfälligkeit für diese Art von Sucht.

„Unsere Forschung umfasste Fragen zu den positiven Emotionen, die mit gesunder Ernährung verbunden sind. 95 % beider Gruppen (Models und Kontrollgruppe) erzielten bei diesem Aspekt hohe Werte, was darauf hindeutet, dass gesunde Ernährung zu einer gesellschaftlichen Norm geworden ist, ähnlich wie die schlanke Schönheit der letzten Jahrzehnte. Im Zusammenhang mit dem weithin akzeptierten und gefeierten Konzept eines gesunden Lebensstils bleibt Orthorexie oft verborgen“ – fügt Dr. Bogár hinzu, die fünf Jahre lang als Model tätig war, bevor sie einen Abschluss in Pharmakologie erwarb.

Zu den Warnzeichen für Orthorexie gehört, dass man sich so sehr für eine gesunde Ernährung einsetzt, dass dies negative Auswirkungen auf andere Lebensbereiche hat. Beispielsweise können Menschen ihr Leben und ihre Aktivitäten nach Ernährungsregeln ausrichten und auf gesellschaftliche Anlässe wie Weihnachten verzichten.

Zu den ersten Anzeichen einer unzureichenden Nährstoffzufuhr gehören Haarausfall, brüchige Nägel, ausbleibende Menstruationszyklen, Müdigkeit oder Lethargie. In schweren Fällen kann die Besessenheit von gesunder Ernährung zu klinischen Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie führen.

Dr. Bogár betonte, dass Essen nicht nur eine Nährstoffquelle ist, sondern auch ein soziales und kulturelles Ereignis, insbesondere während der Festtage und in den darauffolgenden Wochen. Mit Freunden zu kochen oder auswärts zu essen hat einen emotionalen Wert, der über den funktionalen Zweck hinausgeht. Daher ist es wichtig, Lebensmittel nicht streng als gut oder schlecht einzustufen, und Essen sollte nicht zu einer Form der Selbstbestrafung werden.

„Streben Sie eine langfristige, ausgewogene Ernährung an, statt im Januar auf eine ultra-saubere Ernährung zu setzen. Gelegentlicher Genuss von Schokolade oder Feiertagsleckereien sollte Teil Ihrer Ernährung sein – ohne schlechtes Gewissen“ – rät der Experte.

Frühere Studien deuten darauf hin, dass Orthorexia nervosa bei Personen mit höherem Einkommen häufiger auftritt und eng mit der Nutzung von sozialen Medien verknüpft ist.

 

Angelika Erdélyi
Foto: Nikolett Bogár; Titelbild: Envato Elements – Farknot
Übersetzung: Judit Szlovák