Am zweiten und dritten Tag des Semmelweis-Symposiums 2024 standen die Themen Arzneimittelentwicklung, Multi-Omics-Analyse, klinische Phänotypisierung, Netzwerkmedizin in der Onkologie, die Rolle der künstlichen Intelligenz in der Netzwerkmedizin, bioinformatische Methoden und die Entwicklung der Kardiologie im Mittelpunkt. Es sprachen renommierte Experten wie Dr. Ijad Madisch, Gründer und CEO von ResearchGate, Dr. Ajay K. Singh, Prodekan für Graduiertenausbildung an der Harvard Medical School, und Dr. Tienush Rassaf, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Universität Essen. Die 14 herausragendsten Poster wurden im Rahmen eines Poster Wettbewerbs vorgestellt, der während der Veranstaltung stattfand (den Artikel über den ersten Tag des Symposiums finden Sie hier).

In der ersten Session des zweiten Tages ging es um die Arzneimittelentwicklung und die Verwendung bereits bekannter Medikamente zur Behandlung weiterer Krankheiten. Dr. Harald Schmidt, Professor für Pharmakologie an der Universität Maastricht, hielt die Keynote-Rede mit dem Titel „Das Ende der bisherigen Medizin“. Die zweite Session befasste sich mit der Multi-Omics-Analyse. In seinem Hauptvortrag sprach Dr. Manuel Mayr, Professor für kardiovaskuläre Proteomik am Imperial College London, über die Proteomik der dilatativen Kardiomyopathie. Die dritte Session befasste sich mit dem Thema der klinischen Phänotypisierung und deren Anwendung und Nutzung. Der Lungenspezialist Edwin K. Silverman, Experte für genetische Epidemiologie und Professor am Brigham and Women’s Hospital und der Harvard Medical School, sprach darüber, wie Genetik, Omics und Netzwerke bei der Untersuchung chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen angewendet werden können. In der vierten Session ging es um Netzwerkmedizin in der Onkologie und die Rolle der künstlichen Intelligenz in der Netzwerkmedizin. István Csabai, Professor für Physik an der Eötvös Lorand Universität in Budapest, widmete sich in seinem Eröffnungsvortrag den datenintensiven Wissenschaften und der Erweiterung der Möglichkeiten im Gesundheitswesen durch künstliche Intelligenz.

In der Eröffnungssitzung des dritten Tages untersuchten die Redner die Beziehung zwischen künstlicher Intelligenz und Netzwerkmedizin. Dr. Ijad Madisch, Gründer und CEO von ResearchGate, einer Social-Networking-Website für Forscher und Wissenschaftler, hielt die Eröffnungsrede über die Hintergründe der Unternehmensgründung und darüber, wie die Vernetzung in der Wissenschaft Innovation und Zusammenarbeit fördern kann. Auf seinem Weg als Student der Medizin- und Computerwissenschaften sagte er, dass er mit den Beschränkungen des traditionellen wissenschaftlichen Publikationswesens unzufrieden war, was ihn dazu veranlasste, eine offene wissenschaftliche Netzwerkplattform zu schaffen, um den Wissensaustausch auf globaler Ebene zu ermöglichen.

Dr. Ijad Madisch erzählte auch einige interessante Geschichten über die Gründung und Finanzierung von ResearchGate. So erzählte er beispielsweise, wie es ihm gelang, den amerikanischen Geschäftsmann Bill Gates, den Gründer von Microsoft, kennenzulernen, und wie Gates nach erfolgreichen Verhandlungen einen beträchtlichen Geldbetrag in das Unternehmen investierte, was ResearchGate zu neuen Höhen führte. Später wurde das Unternehmen von wissenschaftlichen Verlagen gerichtlich angefochten, aber die Rechtsstreitigkeiten wurden schließlich beigelegt, und die Verlage, die einst gegen das Unternehmen waren, zahlen nun für die Nutzung des ResearchGate-Netzwerks. Dr. Ijad Madisch sagte auch, dass ein Professor in Deutschland anfangs an seiner Vision zweifelte und versuchte, sie ihm auszureden, aber jetzt ist er selbst ein ResearchGate-Nutzer. Bis heute ist er dem Professor dankbar, weil er in dieser Situation gelernt hat, wie wichtig Durchhaltevermögen und Konzentration sind:

Was ist das Wichtigste im Leben? Ich denke, es ist die Konzentration. Man muss eine Entscheidung treffen und sich darauf konzentrieren. Es gibt einen Übergang, eine Phase, in der man zwei oder drei Dinge gleichzeitig tun muss, aber dann muss man sich neu konzentrieren, um zumindest zu sehen, ob die Idee funktioniert oder nicht, es gibt also keinen Raum für Ausreden.

Die zweite Session war den Methoden der Bioinformatik gewidmet. Dr. Yang-Yu Liu, außerordentlicher Professor an der Harvard Medical School, sprach über die Anwendung von Deep Learning in der Mikrobiom-Forschung. In der Abschlusssitzung hörten die Zuhörer nach der Begrüßungsrede von Rektor Dr. Béla Merkely die Vorträge der beiden Doctor Honoris Causa-Preisträger Dr. Ajay K. Singh und Dr. Tienush Rassaf, es wurden die Semmelweis Best Poster Awards verliehen, und schließlich fasste Dr. Péter Ferdinandy, Vizerektor für Wissenschaft und Innovation, die Bedeutung des diesjährigen Semmelweis-Symposiums zusammen.

Dr. Ajay K. Singh, Prodekan für Graduiertenausbildung an der Harvard Medical School, sprach darüber, wie künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen und die medizinische Ausbildung verändert, insbesondere in Bereichen wie Diagnostik, Bildgebung und personalisierte Medizin. Im Zusammenhang mit der engen Partnerschaft zwischen der Harvard Medical School und der Semmelweis Universität betonte er die Bedeutung der globalen Zusammenarbeit bei der Förderung der medizinischen Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Bei seinen Ausführungen über die jüngsten Durchbrüche in der KI erwähnte er unter anderem die von Google DeepMind eingesetzte Technologie zur Vorhersage der Struktur von Proteinen, sprach aber auch über die Vorhersage von Herzkrankheiten durch EKG-Analyse, die Verbesserung der Präzision von Roboterchirurgie, die Standardisierung der Pathologie und die Unterstützung der Arzneimittelforschung. Er sprach auch über die Rolle der KI bei der Umgestaltung von Bildungs- und Arbeitsstrukturen und betonte die Bedeutung Verlagerung hin zu kritischem Denken und die Notwendigkeit digitaler Kompetenzen in medizinischen Lehrplänen. Schließlich betonte er, dass die Integration von KI im Gesundheitswesen zu mehr Effizienz und einer besseren Patientenversorgung führen kann.

Dr. Tienush Rassaf, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Universität Essen, sprach über die Entwicklung der Kardiologie und die Herausforderungen in diesem Bereich. Er hob die dramatische Entwicklung bei der Behandlung von Herzinfarkten hervor, die von einfachen Eingriffen bis hin zu den heutigen komplexen, lebensrettenden Therapien reichte, wies aber auch darauf hin, dass die Sterblichkeitsrate und die Zahl der Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz nach wie vor hoch sind. Er betonte die Notwendigkeit neuer therapeutischer Strategien und stellte die bahnbrechende Initiative des Universitätsklinikums Essen vor, die sich auf zelluläre Mechanismen und translationale Studien zum Schutz des Herzmuskels konzentriert. Zu den Forschungsarbeiten seiner Gruppe gehört die Entwicklung von Peptiden, die Herzzellen schützen, indem sie auf mitochondriale Signalwege abzielen. Er ging auch auf die Auswirkungen der alternden Bevölkerung und die Selbstdiagnose der Patienten ein und betonte, dass sich die Kardiologie weiterentwickeln muss, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Er beschrieb die Rolle der künstlichen Intelligenz in der Kardiologie und nannte als Beispiel EKG-basierte Algorithmen, die Spezialisten bei der Diagnose von Herzrhythmusstörungen und der Vorhersage von Herzversagen übertreffen. Er sprach über die Arbeit seines Teams an der Digitalisierung von Patientendaten für prädiktive Analysen, mit dem Ziel, in einigen Jahren kardiovaskuläre Risikobewertungen über Smartphones verfügbar zu machen.

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Mehr als 900 Teilnehmer besuchten das diesjährige Semmelweis-Symposium, darunter 395 Studenten und 185 Doktoranden. Es gab 35 Referenten aus 10 Ländern und drei Kontinenten, von denen 11 Universitäten vertreten waren, die Mitglieder der Network Medicine Alliance sind. Im Rahmen des Symposiums wurde ein Poster-Wettbewerb veranstaltet. 120 Posterabstracts wurden bei den Organisatoren eingereicht und zeitgleich mit der Veranstaltung ausgestellt. Die Beiträge wurden in 10 Sektionen in den folgenden Disziplinen eingereicht: Herz-Kreislauf-Forschung, pharmazeutische Wissenschaften, zahnmedizinische Forschung, psychische Gesundheit, Gesundheitswissenschaften, konservative Medizin, molekulare Medizin, theoretische und translationale Wissenschaften, Pathologie und Onkologie und Neurowissenschaften.

Dr. Balázs Csizmadia
Foto: Bálint Barta – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák

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