Vom 11. bis 13. November organisierten die Semmelweis Universität und die Network Medicine Alliance (NMA) das 32. Semmelweis-Symposium im Zentrum für Vorklinik (EOK). Im Mittelpunkt der renommiertesten wissenschaftlichen Veranstaltung der Universität stand in diesem Jahr ein neuer Zweig der Medizin, die Netzwerkmedizin, mit weltbekannten Forschern wie dem Physiker Albert-László Barabási.

Das Thema der diesjährigen dreitägigen Konferenz lautete „Netzwerkmedizin für die Gesundheit der Zukunft“. Im Rahmen der Veranstaltung hielten 35 Referenten aus verschiedenen Teilen der Welt, unter anderem von der Harvard University, dem Karolinska Institut, der Universität La Sapienza in Rom und der Universität Maastricht, innovative Vorträge zu den Themen Netzwerkforschung, Neupositionierung von Medikamenten, Zusammenhänge zwischen Krankheiten und Komorbiditäten sowie Forschungsergebnisse aus den Bereichen Bioinformatik und Künstliche Intelligenz (KI).

In seiner Eröffnungsrede hob Rektor Dr. Béla Merkely die Bedeutung des internationalen Wissenstransfers und die grundlegenden Veränderungen hervor, die durch die Zusammenarbeit verschiedener, auch weit entfernter wissenschaftlicher Disziplinen bewirkt werden können. „Die Netzwerkmedizin kann uns helfen, Probleme aus einer völlig neuen Perspektive anzugehen“ – sagte er. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, die weltweit die häufigsten Todesursachen sind, seien multifaktorielle Krankheiten, und die Entschlüsselung der komplexen Mechanismen, die zu ihrer Entstehung führen, erfordere die Zusammenarbeit zwischen scheinbar unterschiedlichen Disziplinen, um die Molekularbiologie multifaktorieller Krankheiten zu verstehen.

Die Netzwerkmedizin kann der Schlüssel zu einem echten Fortschritt bei der Vorbeugung, Diagnose und Heilung von Krankheiten sein, die bisher als unheilbar galten

– betonte der Rektor der Universität.

In seinem Einführungsvortrag stellte Dr. Péter Ferdinandy, Vizerektor für Wissenschaft und Innovation, die koordinierte Strategie der Semmelweis Universität vor, um in den Rankings aufzusteigen. Er erklärte, dass diesem Ziel neben der herausragenden wissenschaftlichen Leistung – dem Innovationsökosystem, das diese fördert -, der Förderung von Exzellenz und der Erhöhung der Anzahl von Patenten und Spin-offs auch eine engere internationale Zusammenarbeit dient. Da die akademische Leistung sich proportional zur Zahl der Doktoranden verhält, hat die Universität ein flexibles Modell zum Erwerb von Abschlüssen eingeführt und die Zahl der Doktoranden innerhalb von sechs Jahren verdoppelt. Infolgedessen stiegen sowohl die Zahl der mit Q1 bewerteten Publikationen als auch die Zitierhäufigkeit erheblich. Wie er betonte, zielt die FEI-Strategie der Universität darauf ab, das Innovationsumfeld zu fördern, die Unternehmensentwicklung, den Technologietransfer und gemeinsam genutzte Labore zu unterstützen. Dr. Ferdinandy stellte auch das Wissenschaftsparkprojekt der Universität vor, das die Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Industrie stärken wird.

László Bódis, stellvertretender Staatssekretär für Innovation im Ministerium für Kultur und Innovation und Geschäftsführer der Nationalen Innovationsagentur, erläuterte das ungarische Modell zur Förderung des Forschungs- und Innovationsumfelds. Er beschrieb zunächst das Potenzial und die Position Ungarns im internationalen Innovations- und Wettbewerbsumfeld. Nach einer Zusammenfassung der Herausforderungen für die europäische Wettbewerbsfähigkeit und das einheimische Innovationsökosystem wandte er sich dem ungarischen Modell zu, das darauf abzielt, durch steuerliche Vergünstigungen, die Einrichtung des Nationalen Forschungs- und Innovationsfonds, die Ansiedlung führender europäischer, amerikanischer und asiatischer Forschungs- und Entwicklungsunternehmen in Ungarn, engere Beziehungen zwischen Wissenschaft und Industrie sowie eine tiefgreifende Technologie, die die Ressourcen auf Bereiche wie Digitalisierung, ökologische Transformation, gesundes Leben und Sicherheit konzentriert, Fortschritte zu erzielen. Mit all diesen Maßnahmen zielt die ungarische F&I-Strategie darauf ab, sicherzustellen, dass ungarische Wissenschaftler weiterhin eine führende Rolle in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft spielen, Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen wie Energieversorgung, Überalterung und den Übergang zu künstlicher Intelligenz zu finden und die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes zu unterstützen. László Bódis betonte, dass der universitäre Technologietransfer durch ein Ökosystem auf der Grundlage international bewährter Verfahren gefördert werden kann, wozu die Technologietransfergesellschaft, ein universitätseigenes Unternehmen, der Wissenschaftspark und die universitäre Risikokapitalgesellschaft beitragen.

Die 2016 gegründete Network Medicine Alliance ist ein Zusammenschluss von 34 Instituten und Hochschuleinrichtungen, zu denen auch die Semmelweis Universität gehört, mit dem Ziel, die internationale Zusammenarbeit in der interdisziplinären Forschung zu stärken, um zum Verständnis von Krankheiten und zur Entwicklung neuer Therapien beizutragen.

In seiner Einleitungspräsentation zur Netzwerkmedizin wies Joseph Loscalzo, Professor an der Harvard Medical School und Gründer der NMA, darauf hin, dass sich die Definition von Pathologien im Laufe der Geschichte zeitlich und räumlich verändert hat und dass ihre Bezeichnungen lange Zeit auf einer Abstraktion oder Interpretation beruhten, wie z. B. „Antoninische Epidemie“. Die wissenschaftliche Grundlage für die Erforschung von Krankheiten trat im 19. Jahrhundert mit den Entdeckungen von Semmelweis, Pasteur, Koch, Lister und anderen in eine neue Phase ein. Das 20. Jahrhundert war geprägt von biochemischen und molekularen Ansätzen, während im 21. Jahrhundert die Genomik ihren Anfang nahm und das Problem mit sich brachte, die Beziehungen zwischen riesigen Datenmengen neu zu ordnen. Im Zeitalter von Omics und Big Data werden die Grenzen des Reduktionismus, der die Wissenschaft bisher geprägt hat, immer deutlicher. Dies hat zu einem neuen wissenschaftlichen Paradigma geführt, der Netzwerkmedizin, in der erkannt wurde, dass die meisten biologischen Systeme ein komplexes und molekulares Netzwerk bilden, das quantitativ analysiert werden kann.

Die Netzwerkmedizin erforscht die Pathologie und Behandlung von Krankheiten interdisziplinär. Dadurch können Krankheiten ohne Vereinfachung definiert werden, zusammen mit ihren komplexen genomischen und umweltbedingten Merkmalen, was die Präzisionsmedizin und den gezielten Einsatz von Medikamenten sowie die Anwendung bestehender Medikamente in neuen Bereichen fördert. Die Netzwerkmedizin ermöglicht ein neues Verständnis der Auswirkungen der Umwelt, darunter auch der Ernährung auf die Gesundheit.
Dr. Joseph Loscalzo és Dr. Albert-László Barabási

Dr. Albert-László Barabási, Physiker, Professor an der Northeastern University, der Harvard Medical School und der CEU sowie Mitbegründer der NMA, erläuterte die Bedeutung der Netzwerkmedizin: Während die Genomik eine Bestandsaufnahme des Genoms und seiner Bestandteile darstellt, stellt die Netzwerkmedizin die Verbindungen zwischen den Proteinen innerhalb der Zelle dar, die für die Funktion der Zelle und, bei Verschlechterung einer bestimmten Funktion, für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich sind. Dies ist auch der Grund dafür, dass Gene oder Proteine, die für eine bestimmte Krankheit verantwortlich sind, nahe beieinander liegen und ein Krankheitsmodul bilden, und dass bei ähnlichen Krankheiten wie Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung Gene beteiligt sind, die nahe beieinander liegen. Diese Einsicht hat den Forschern geholfen, eine therapeutische Lösung in einem Bruchteil der Zeit anzubieten, die für die Entwicklung neuer Medikamente während der Covid-19-Pandemie benötigt wurde, indem sie auf bestehende Medikamente zurückgriffen, anstatt 10-15 Jahre für die Entwicklung neuer Medikamente zu benötigen. Dr. Albert-László Barabási erklärte, dass in den Vereinigten Staaten nur 10-20 Prozent der Morbidität genetisch bedingt sind, der Rest ist auf Umweltfaktoren zurückzuführen. Daher zielt die Netzwerkmedizin auch darauf ab, die Beziehung zwischen Umweltfaktoren, insbesondere der Ernährung, und der Gesundheit zu untersuchen, was er anhand der chemischen Bestandteile von Knoblauch, Basilikum und grünem Tee veranschaulichte. Am Ende seines Vortrags ging er auch darauf ein, wie die künstliche Intelligenz in den Dienst der Netzwerkmedizin gestellt werden kann.

Nach der Eröffnungsfeier folgte eine Sitzung zum Thema „Disease Mapping und Komorbiditäten“, die von Dr. Jörg Menche, Professor an der Universität Wien, und Dr. Péter Ferdinandy moderiert wurde. In seiner Keynote-Rede gab Dr. Jörg Menche einen Einblick in die Zukunft der Netzwerkmedizin. Dr. Dezső Miklós, stellvertretender Direktor des HUN-REN Rényi Alfréd Mathematischen Forschungsinstituts sprach über die Analyse elektronischer Gesundheitsdaten, die mithilfe von künstlicher Intelligenz erhoben werden; Dr. Maurizio Sessa, außerordentlicher Professor an der Universität Kopenhagen hielt einen Vortrag über „KI und intelligente Automatisierung in der Pharmakovigilanz und Pharmakoepidemiologie“, während Julia Guthrie, Senior Research Fellow am Ludwig-Boltzmann-Institut für Netzwerkmedizin, über Netzwerkansätze für Autoimmunität und Autoinflammation sprach.

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Judit Szabados-Dőtsch
Foto: Boglárka Zellei – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák