Dr. Vivien Klaudia Nagy, Assistenzprofessorin an der Városmajor Herz- und Gefäßklinik der Semmelweis Universität, ist die erste Ungarin, die eine von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) akkreditierte Ausbildung in Weltraummedizin absolviert hat. Damit ist sie die erste ESA-zertifizierte Weltraumärztin des Landes, die europäische Astronautenmissionen unterstützen wird, darunter die für 2025 geplante Mission des nominierten ungarischen Astronauten Tibor Kapu. Die Semmelweis Universität ist am ungarischen Astronautenprogramm HUNOR aktiv beteiligt und sichert den medizinischen Hintergrund, einschließlich der medizinischen Auswahl, Ausbildung und Gesundheitsüberwachung der Astronauten.
Ich interessiere mich bereits seit meiner Kindheit für Dinge, die mit dem Weltraum zu tun haben, auch für Filme, und ich war auch ein großer Star-Wars-Fan. Zum HUNOR-Programm bin ich durch einen glücklichen Zufall gekommen“ – sagte Dr. Klaudia Vivien Nagy. „Ich habe 2011 an der Semmelweis Universität absolviert, und arbeite seither in der Városmajor Herz- und Gefäßklinik, wo ich promoviert habe und Kardiologin geworden bin. Mein Spezialgebiet ist die Elektrophysiologie, d. h. die kathetergestützte Behandlung von Herzrhythmusstörungen. Ich befasse mich auch mit der Berufspolitik, da ich an der London School of Economics and Political Sciences ein Masterstudium in Gesundheitsökonomie absolviert habe, und bin in ungarischen und internationalen berufspolitischen Organisationen der Kardiologie tätig (Kardiologie-Abteilung des College of Health Professionals, verschiedene Organisationen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie). Darüber hinaus habe ich Erfahrung in der medizinischen Betreuung von Sportveranstaltungen. Im Jahre 2022 wurde die Universität im Rahmen des HUNOR-Programms ersucht, sich am medizinischen und gesundheitlichen Teil des Raumfahrtprogramms zu beteiligen. Dr. Béla Merkely, Rektor der Universität, ist für das Projekt verantwortlich, und ich wurde gebeten, die operativen Aufgaben als seine direkte Kollegin zu übernehmen. Als ich zum ersten Mal das Wort Weltraumprogramm hörte, dachte ich, ich hätte etwas falsch verstanden, aber natürlich habe ich ohne Zögern ja gesagt“ – erinnert sich die Assistenzprofessorin.
Die Semmelweis Universität nimmt am Subprogramm „Auswahl und Ausbildung“ als Gesundheits- und Forschungsbasis des ungarischen Astronautenprogramms HUNOR teil und leitet – entwickelt, koordiniert und betreibt – den medizinischen Teil des Subprogramms „Forschung“. Dr. Béla Merkely, Rektor der Semmelweis Universität, ist im Lenkungsausschuss des HUNOR-Programms als medizinischer Experte zuständig.
Nach einer Vorauswahl von den mehr als 240 Bewerbern wählte die Semmelweis Universität im Sommer 2022 aus 25 Kandidaten die acht besten Astronauten auf der Grundlage ihrer medizinischen Eignung aus, wofür die Universität ein Protokoll entwickelte, das die Richtlinien der ESA (Europäische Weltraumorganisation) und der NASA berücksichtigt. Im Rahmen dieses Protokolls wurden die Kandidaten in den Kliniken speziellen Untersuchungen unterzogen, unter anderem in den Bereichen Augenheilkunde, Zahnmedizin, HNO, Kardiologie, Psychologie-Psychiatrie und Gastroenterologie. Neben dem Lehrstuhl für Luft- und Raumfahrtmedizin unter der Leitung von Dr. Béla Merkely waren somit fast alle Kliniken der Universität an dem Projekt beteiligt. Dr. Klaudia Vivien Nagy sagte, dass sie den bestehenden Protokollen ihr eigenes Know-how hinzufügen wollten, weshalb sie auch eine Reihe zusätzlicher Screening-Tests durchführten, wie z. B. Herz-MR und das Messen von Gerinnungsparametern. Die Astronauten erhielten während ihrer Vorbereitung auch eine Ausbildung in Telemedizin und Reanimation an der Városmajor Herz- und Gefäßklinik. Die Assistenzprofessorin betonte, dass die medizinischen Ergebnisse der vier ungarischen Astronautenkandidaten von der ESA akzeptiert wurden, so dass sie auch aus medizinischer Sicht eine europäische Astronautenzertifizierung erhielten, die auf den Ergebnissen der Semmelweis Universität beruht. Letztlich soll Tibor Kapu als ungarischer Forschungsastronaut an der Mission 2025 teilnehmen, während Gyula Cserényi als Reserveastronaut fungieren wird – sie absolvieren derzeit ein missionsspezifisches Training in Houston, USA.
Nach dem Auswahlverfahren wurde die ungarische Ärztin vom medizinischen Direktor der ESA angesprochen, um in das medizinische Team aufgenommen zu werden, und wurde zur Weltraumärztin ernannt“ – sagte Dr. Klaudia Vivien Nagy. „Die eineinhalbjährige Ausbildung besteht aus theoretischen und praktischen Teilen und ist mit vielen Reisen verbunden. Die ESA hat ihren Sitz in Köln, wo die Hälfte der Ausbildung stattfand, und die andere Hälfte in Houston. Hier habe ich an einer Mission teilgenommen, auf die sich auch der nominierte ungarische Astronaut vorbereitet, so dass es eine nützliche Arbeitserfahrung war: Ein dänischer Astronaut verbrachte sechs Monate auf der Raumstation, und ich habe seine Mission während meinem Training als Weltraumarzt vom Zentrum in Houston aus verfolgt“ – fügte sie hinzu. Sie absolvierte ihre Ausbildung am 26. September ab, und erhielt gleichzeitig ihr von der ESA akkreditiertes Diplom für Weltraummedizin.
Die Weltraumärzte reisen selbst nicht mit den Astronauten ins All, sondern überwachen die gesamte Mission von der Erde aus und haben vor und nach der Mission eine Reihe von Aufgaben: Zunächst müssen sie über die aktuellsten Informationen über alle Gesundheitsparameter der Astronauten verfügen. Unmittelbar vor dem Start beginnt eine zweiwöchige Quarantänezeit, da die Teilnahme an einer Weltraummission mit einer ansteckenden Krankheit schwerwiegende Folgen haben kann. Während der Quarantäne ist der behandelnde Arzt die ganze Zeit bei dem Astronauten“ – erklärt Dr. Klaudia Vivien Nagy. Am Tag des Starts ziehen die Astronauten den speziellen druckgesteuerten Raumanzug im Kennedy Space Center an und fahren in Begleitung ihres Arztes mit dem Auto zur Startrampe, wo sie von ihrem Weltraumarzt bis zum Einstieg in die Raumkapsel begleitet werden. Während sich der Astronaut auf der Raumstation befindet, überwacht sein Arzt seine Aktivitäten vom Kontrollzentrum auf der Erde aus, und sie können regelmäßig miteinander kommunizieren, täglich nach der Ankunft und dann wöchentlich, je nach Dauer der Mission. Bei medizinischen Fragen, Problemen oder Notfällen kann der Astronaut seinen Arzt sofort erreichen, und laut dem offiziellen Dienstplan der NASA ist ein Arzt im Kontrollzentrum in Houston immer anwesend.
Am Ende der Missionen landen die Raumkapseln im Ozean vor der Küste Floridas, wo die Astronauten von Marinesoldaten herausgehoben und sofort in die Obhut von Ärzten übergeben werden, die die notwendigen Tests durchführen. Nach der Rückkehr an Land per Hubschrauber und anschließend per Flugzeug nach Houston folgt der Rehabilitationsprozess, der bei einer sechsmonatigen Mission 4-6 Wochen dauert. Es gibt verschiedene Phasen der Rehabilitation: Zunächst müssen sich der Kreislauf und das Gleichgewichtssystem wieder an die Schwerkraft der Erde gewöhnen. Außerdem müssen die im Weltraum verloren gegangenen Muskeln wieder aufgebaut werden, da sie aufgrund der fehlenden Schwerkraft und oft auch wegen der geringeren Nahrungsaufnahme einen erheblichen Muskelverlust erleiden.
Wenn sie nicht gerade in Houston oder Florida arbeitet, behandelt Dr. Klaudia Vivien Nagy seit mehr als 10 Jahren Patienten in der Városmajor Herz- und Gefäßklinik, wo sie einen großen Patientenstamm hat. Wie sie sagte, ist es nicht einfach, die beiden Rollen unter einen Hut zu bringen, aber auch nicht unmöglich, da alle Raumfahrtärzte auch in der allgemeinen Patientenversorgung tätig sind und nur für die Zeit der Missionen nach Houston, Florida und Köln reisen. Die Assistenzprofessorin betonte, dass langjährige Erfahrung und klinische Praxis in der Patientenversorgung für die Weltraummedizin unabdingbar sind, wo im Notfall die richtigen Entscheidungen sofort getroffen werden müssen.
Dr. Klaudia Vivien Nagy sprach auch darüber, welch große Wirkung die Weltraumforschung und die damit verbundene Technologie auf die tägliche Patientenversorgung hat. Ein Beispiel ist der Überwachungsmonitor, der in jeder Intensivstation oder überall dort zu finden ist, wo die physiologischen Parameter der Patienten überwacht werden. Wir können auch die Telemedizin einbeziehen, die sich ständig weiterentwickelt und für die die Smartwatch ein gutes Beispiel ist. Dr. Nagy empfiehlt ihren Patienten regelmäßig ihre Verwendung, da einige Modelle neben bestimmten physiologischen Parametern (z. B. Herzfrequenz, Temperatur, Sauerstoffsättigung) auch ein qualitativ hochwertiges Einkanal-EKG aufzeichnen können, und wenn der Patient eine bekannte oder nicht diagnostizierte Herzrhythmusstörung hat, können die Messwerte der Smartwatch den Ärzten sofort bei ihrer Diagnose helfen.
Eszter Keresztes
Foto: Bálint Barta – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák