Die Unterstützung durch die Universität, frühere Erfahrungen in Afrika und ein hohes Maß an Flexibilität trugen ebenfalls zum Erfolg einer siebenköpfigen medizinischen Mission in Äthiopien bei, die neben dem Wissenstransfer auch ein langfristiges Berufsausbildungsprogramm in Äthiopien etablieren wollte. Drei Mitglieder des Teams sind Spezialisten der Semmelweis Universität: die Neurochirurgen Dr. Gábor Nagy und Dr. Dávid Nagy, die schon früher an medizinischen Missionen in Afrika teilgenommen haben, sowie der Anästhesist Dr. Máté Bata. Sie berichteten über ihre Erfahrungen im Lehrkrankenhaus von Addis Abeba.

Als Mitglieder des siebenköpfigen Teams, das sich auf eine zweiwöchige medizinische Mission begab, waren die Fachärzte der Semmelweis Universität, Dr. Gábor Nagy, Leiter der Abteilung für kraniofaziale und vaskuläre Neurochirurgie, Dr. Dávid Nagy, Facharzt für Neurochirurgie in der Abteilung für Neuro-Onkologie, und Dr. Máté Bata, Facharzt für Anästhesie in der Abteilung für zentrale Anästhesie und Intensivmedizin. Die Mission wurde von der Vereinigung „Erdenaufgang zum Schutz der Kultur und der Umwelt“ mit finanzieller Unterstützung durch das Hungary Helps Program und mit organisatorischer und kommunikativer Unterstützung der ungarischen Botschaft in Addis Abeba organisiert. Die Semmelweis Universität steuerte Ausrüstung und Medikamente im Wert von rund fünf Millionen Forint zu dem Programm bei.

Wir hatten fünf Koffer voll mit Anästhesie- und OP-Material, Medikamenten, Blutstillungsmitteln und Instrumenten dabei. Zum Teil folgten wir der Liste, die die äthiopischen Spezialisten zusammengestellt hatten, aber auch aufgrund unserer früheren Erfahrungen in Malawi wussten wir, was wir brauchen würden, um die Operationen sicher durchzuführen.

– erzählte Dr. Gábor Nagy, der seit 2017 zusammen mit Dr. Dávid Nagy an vier medizinischen Missionen in Afrika teilgenommen hat. Ihre Erfahrung habe sich in Äthiopien als nützlich erwiesen, obwohl es dieses Mal darum ging, Wissen weiterzugeben und mit dem Aufbau eines professionellen Ausbildungsprogramms zu beginnen, und nicht darum, mehr Patienten zu operieren wie in Malawi – berichteten die Neurochirurgen. „In Äthiopien lag der Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit, die Einheimischen waren motiviert, offen und lernwillig, und es gab kaum eine Operation, an der kein einheimischer Chirurg beteiligt war“ – sagte Dr. Gábor Nagy und fügte hinzu, er blicke optimistisch in die Zukunft.

In Äthiopien gibt es kein Krankenversicherungssystem wie in Ungarn, und die für die Krankenhausversorgung und Operationen benötigte Ausrüstung wird von den Patienten oder ihren Verwandten gekauft und in einer großen Tasche ins Krankenhaus gebracht. Wenn sich dann während der Operation herausstellt, dass die Ausrüstung nicht geeignet ist oder kaputt geht, geht die Familie los und kauft eine neue, und dann muss man warten“ – erzählten sie. Es habe auch Fälle gegeben, in denen Familien unnötige Mittel gekauft hatten, wie z. B. eine zentrale Kanüle, und darauf bestanden hatten, dass diese implantiert wird, nachdem sie sie bezahlt hatten. Für Dr. Máté Bata, der zum ersten Mal an dem afrikanischen Missionsprogramm teilnahm, war es beispielsweise eine der überraschendsten Erfahrungen, dass das System mit so wenig Aufwand und so wenig Organisation funktioniert. „Wir haben zum Beispiel die Blockseife zum Schrubben aus dem Laden an der Ecke und 70-prozentigen Alkohol benutzt“ – sagte Dr. Dávid Nagy. Gleichzeitig waren die von zu Hause mitgebrachten blutstillenden Materialien ein großer Erfolg, aber wir wollten vor allem zeigen, wie man das Beste aus den lokalen Ausrüstung macht“ – fügte Dr. Gábor Nagy hinzu. Er wies auch darauf hin, dass die erste Generation der äthiopischen Neurochirurgen in Norwegen ausgebildet wurde, weshalb die Hightech-Ausrüstung von Norwegen gespendet wurde, es aber keine Möglichkeit gibt, sie im Falle einer Funktionsstörung zu reparieren.

Das Spektrum der neurochirurgischen Versorgung in einem Entwicklungsland ist ganz anders als in den westlichen Industrieländern. In Ermangelung onkologischer Versorgung – auf eine Strahlentherapie muss man zwei Jahre warten – macht es zum Beispiel keinen Sinn, einen bösartigen Hirntumor zu operieren, selbst wenn es medizinisch gerechtfertigt ist, weil es keine Nachbehandlung gibt. Das gilt auch für verschleißbedingte Wirbelsäulenerkrankungen, die in der entwickelten Welt neben Krebserkrankungen am häufigsten neurochirurgisch behandelt werden. In Äthiopien werden neben gutartigen Hirntumoren unfallbedingte, traumatische Patienten operiert, solche Fälle wurden auch bei unserer Ankunft gesammelt. Da auch gutartige Hirntumore im Laufe der Zeit zum Tod, zur Erblindung oder zu Lähmungen führen können, ist es wichtig, sie zu operieren, und es wäre sinnvoll, äthiopische Neurochirurgen dafür auszubilden. Genau das haben wir im Krankenhaus von Addis Abeba getan“ – sagte Dr. Gábor Nagy. Er wies darauf hin, dass die Hypophysenchirurgie auch in Äthiopien noch nicht durchgeführt wird, obwohl die Zahl dieser Eingriffe, bei denen die Kooperation auch anderer Fachrichtungen nötig ist, aufgrund Fallzahlen von Ungarn bis zu fünftausend Eingriffen pro Jahr in Äthiopien, einem Land mit 120 Millionen Einwohnern, betragen würde.

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Die Teilnehmer der Mission waren sich einig, dass für die Arbeit vor Ort ein hohes Maß an Flexibilität erforderlich ist, aber dadurch und durch ausreichende Vorbereitung konnten sie viele technische Unzulänglichkeiten überwinden und lernen, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Insgesamt wurden in zwei Wochen 13 Operationen durchgeführt, die meisten davon große Operationen, von denen hier in Ungarn zwei an einem Tag hätten durchgeführt werden können, was unter den örtlichen Bedingungen jedoch nicht möglich war. Äthiopische Ärzte berichteten, dass sie dreimal so viel Zeit wie ungarische Neurochirurgen benötigten, um ähnliche Operationen durchzuführen.

Es lässt einen neu bewerten, wo man in der Welt steht, wie die ungarische Gesundheitsversorgung aussieht, und man wird sich bewusst, wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir ein solches Niveau der Versorgung bieten können.

– sagte Dr. Dávid Nagy. Wenn man die Bedingungen dort sieht, erscheint die Organisation des ungarischen Gesundheitswesens in einem anderen Licht – fügte auch Dr. Máté Bata hinzu. Der Anästhesist, der zum ersten Mal an der medizinischen Mission in Afrika teilnahm, sagte, diese Reise habe ihn vor solchen Herausforderungen gestellt, die er zu Hause nicht gekannt habe, und somit seine menschliche und berufliche Einstellung in großem Maße erweitert wurde.

Mit äthiopischen Kollegen zusammen zu arbeiten, ihr Leben, ihr soziales Gefüge und ihre Kultur näher kennen zu lernen, mit ihnen im Arztzimmer zu sitzen, Kaffee in einem Topf zu rösten, ihn zu vermahlen, dann zu kochen und ihn gemeinsam zu trinken, war eine einzigartige Erfahrung.

– rief Dr. Máté Bata zurück.

Im Grunde mussten sie alle aus ihrer Komfortzone heraustreten. Nicht nur die Umgebung des Operationssaals, sondern auch die lokale Gastronomie mit ihren vielen scharfen und fermentierten Speisen stellte für die Ungarn eine Herausforderung dar – sagten die Teilnehmer. Zu den Höhepunkten zählten jedoch die Kultur-, Musik- und Jazzabende.

„Während der Mission konnten wir einen positiven Eindruck bei den Einheimischen hinterlassen, sie waren sehr freundlich und offen uns gegenüber, sie schätzten unsere zwei Wochen dort und sind bereit, das Projekt fortzusetzen. Sie würden auch als Zuschauer gerne kommen und bei uns lernen“ – sagte Dr. Dávid Nagy. Nach Ansicht von Dr. Gábor Nagy wäre es sinnvoll, über eine weitere gezielte Mission nachzudenken, die sich auf die Ausbildung im Bereich der Hypophysenchirurgie konzentriert, aber die notwendigen Rahmenbedingungen müssen noch geklärt werden. Als ersten Schritt für eine künftige Zusammenarbeit wurden der Direktor, der Abteilungsleiter und zwei Fachärzte des Krankenhauses von Addis Abeba zur Neurochirurgie-Konferenz im Herbst in Budapest eingeladen.

Teilnehmer an der siebenköpfigen Mission:
Von der Semmelweis Universität: Die Neurochirurgen Dr. Gábor Nagy, Dr. Dávid Nagy und Dr. Máté Bata, Anästhesist; vom Heim Pál Krankenhaus: HNO-Ärztin Dr. Edina Pálinkás; von der Universität Pécs: HNO-Arzt Dr. Péter Kinga Jakab; die Afrikaforscherin Dr. Marianna Kármán, der Fotograf, Organisator Dr. Csaba Szeremley

 

Anita Szepesi, Melinda Katalin Kiss
Foto: Csaba Szeremley 
Übersetzung. Judit Szlovák