Geringfügige Anomalien, die auf neurologische Störungen hindeuten, wurden auch bei Menschen mit gesundem Zuckerstoffwechsel, aber erhöhtem Diabetesrisiko festgestellt – berichten Forscher der Semmelweis Universität. Die frühzeitige Erkennung von Anzeichen der Erkrankung, die zu autonomen und sensorischen Funktionsstörungen führt, kann dazu beitragen, die Krankheit wirksamer zu verhindern und zu behandeln.

In einer Studie der Semmelweis Universität wurde nach einem Zusammenhang zwischen einem höheren Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, und dem Auftreten von Neuropathie bereits vor dem Ausbruch der Krankheit gesucht. Störungen des autonomen und sensorischen Nervensystems treten nicht nur bei Menschen mit Diabetes auf, sondern auch bei Menschen, deren Blutzuckerspiegel über dem Normalbereich liegt, die aber noch nicht an Diabetes erkrankt sind – ein Zustand, der als Prädiabetes bezeichnet wird. Ob Anzeichen einer Neuropathie auch bei Menschen mit mittlerem oder hohem Diabetesrisiko auftreten, die ansonsten gesund sind, wurde jedoch noch nicht untersucht.

Als Komplikation des Typ-1-Diabetes entwickelt sich die sensorische und autonome Neuropathie erst nach einer gewissen Zeit, und bei Typ 2 ist sie bereits zum Zeitpunkt der Diagnose in vielen Fällen vorhanden, die eine mikrovaskuläre Komplikation des Diabetes aufgrund einer Durchblutungsstörung ist. Zu den subjektiven Beschwerden gehören Schmerzen, Brennen, Taubheit, typischerweise in den unteren Gliedmaßen oder in deren Spitze, die im Laufe der Jahre zunehmen, in Ruhe auftreten und sich nachts langsam, beidseitig verschlimmern. Diese Symptome werden von den Patienten selbst wahrgenommen. Objektive Beschwerden, die das autonome Nervensystem betreffen, lassen sich durch Reflextests messen, während sensorische Nervenschädigungen durch instrumentelle Tests unterschiedlicher Komplexität gemessen werden können.

“In dieser Studie wollten wir herausfinden, was passiert, wenn wir nach Anzeichen von Neuropathie bei Menschen suchen, die Risikofaktoren für einen veränderten Kohlenhydratstoffwechsel haben, aber noch keinen prädiabetischen Zustand aufweisen” – sagt die Erstautorin Dr. Anna Körei, Assistenzprofessorin in der Klinik für Innere Medizin und Onkologie der Semmelweis Universität.

Zu diesen Risikofaktoren gehören hoher Blutdruck oder hohe Blutfettwerte (Cholesterin), die mit dem Auftreten von Neuropathie bei Diabetikern und Prädiabetes in Verbindung gebracht werden.

Für die Auswahl der Patienten wurde eine Methode zur Risikoeinschätzung verwendet, die von Allgemeinmedizinern und Fachärzten in Ungarn und auch weltweit weit verbreitet ist.

FINDRISK ist ein Fragebogen, wobei auf der Grundlage von Lebensstil und Gesundheitsfaktoren die Wahrscheinlichkeit berechnet wird, ob jemand in den nächsten 10 Jahren an Diabetes erkrankt.

“Der Fragebogen befasst sich mit kardiovaskulären Risikofaktoren, da Neuropathie eine mikrovaskuläre Komplikation ist. Da auf diese Weise Diabetes ohne Labortests gescreent wird, ist er kostengünstiger und genauer als herkömmliche Tests” – erklärt Dr. Péter Kempler, Professor an der Klinik für Innere Medizin und Onkologie der Semmelweis Universität und der letzte Autor der Studie.

Der FINDRISK fragt nach dem Alter des Befragten, dem Body-Mass-Index (BMI), dem Verzehr von Obst und Gemüse, der Häufigkeit der körperlichen Aktivitäten, dem Bluthochdruck, dem Bauchumfang, der familiären Vorbelastung mit Typ-2-Diabetes usw.

Auf einer Skala von 0-20+ Punkten gilt: je höher der Wert ist, desto höher ist das Risiko, an Diabetes zu erkranken.

Diejenigen die den höchsten Wert haben, werden innerhalb der nächsten 10 Jahre mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit an Diabetes erkranken.

“In der Studie konzentrierten wir uns auf diejenigen, die einen Wert von über 12 erreichten, aber weder an Diabetes noch an einer Diabetesvorstufe litten” – erklärt der Professor. Ein Wert von 12 deutet auf ein erhöhtes Risiko hin; Personen mit einem Wert von 12 sollten weitere Labortests durchführen lassen, um ihr Diabetesrisiko zu kontrollieren.

” Bei den ausgewählten Teilnehmern fanden wir selten eindeutige neuropathische Anomalien, aber in vielen Fällen innerhalb des Normalbereichs, insbesondere bei den autonomen Parametern, beobachteten wir minimale Verengungen im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe, die auch mit höheren Blutzuckerwerten (nicht als Diabetes oder Prädiabetes definiert) verbunden waren” – sagt Dr. Anna Körei. Eine weitere Beobachtung dieser Patienten ist deshalb notwendig.

“Es spielt auch eine Rolle, wodurch ein Wert über 12 entsteht” – sagt Dr. Péter Kempler. “Bestimmte Parameter wie das Alter oder eine familiäre Vorbelastung mit Diabetes lassen sich nicht ändern, wohl aber Lebensstilfaktoren wie Übergewicht, der Verzehr von zu wenig Obst und Gemüse oder Bluthochdruck. Mehr Bewegung, ein aktiver Lebensstil und eine Gewichtsabnahme können in einem frühen Stadium besonders wirksam sein.

Die anfängliche Neuropathie kann durch intensive Änderungen des Lebensstils reversibel sein, aber die Behandlung der fortgeschrittenen Neuropathie hängt weitgehend vom Kohlenhydratstoffwechsel ab

– sagt der Professor.

“Unser Ziel ist es, nicht nur die Störung des Kohlenhydratstoffwechsels, sondern auch die Risikopersonen so früh wie möglich zu identifizieren. Darüber hinaus ist es wichtig, die Risikofaktoren (Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Cholesterin) durch Änderungen des Lebensstils oder, falls erforderlich, durch Medikamente zu bekämpfen, um die Entwicklung von Diabetes und seinen Komplikationen zu verhindern” – sagt Dr. Anna Körei.

 

Zsófia Végh
Foto: Boglárka Zellei – Semmelweis Universität, Illustration: iStock
Übersetzung: Judit Szlovák