Forscher der Semmelweis Universität haben einen Zusammenhang zwischen dem Geruchssinn und dem körpereigenen Abwehrsystem bei Depressionen nachgewiesen. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift Translational Psychiatry veröffentlicht. Angesichts der Tatsache, dass jedes Jahr weltweit mehr als 700 000 depressive Menschen Selbstmord begehen, wird es immer wichtiger, die Ursachen der Krankheit zu ergründen. Anhand von Daten aus der britischen UK Biobank haben die Forscher nun die Profile von mehr als 300 000 depressiven und gesunden Männern und Frauen analysiert, um herauszufinden, welche Gruppen ein höheres Risiko haben, an einer Depression zu erkranken, und welche Genvarianten damit verbunden sind.
Die ungarischen Forscher analysierten die Teilnehmer anhand von vier Variablen: Geschlecht, Neigung zu negativen Emotionen, Körperfettanteil und Ausbildungsgrad. Insgesamt wurden die Daten von 174.572 Frauen und 149.879 Männern aus der britischen Biobank-Datenbank verglichen.
Dabei wurde festgestellt, dass ein hoher Körperfettanteil und ein niedriger Bildungsstand die Gefahr von Depressionen bei beiden Geschlechtern erhöhen, wobei Frauen häufiger negative Emotionen (häufige Ängste, Niedergeschlagenheit, Wut) empfinden. Im Gegensatz dazu waren schlankere und besser gebildete Personen, die seltener negative Emotionen empfanden, weniger anfällig für diese Krankheit.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden rund 280 Millionen Menschen, d. h. 5 % der erwachsenen Bevölkerung, an Depressionen, und jährlich werden weltweit mehr als 700 000 Selbstmorde durch diese Krankheit verursacht. Depressionen sind eine „weit verbreitete und sehr belastende psychiatrische Störung“, wobei Medikamente oft unwirksam sind, heißt es in der Studie. Deshalb bedarf es dringend der Identifizierung zuverlässiger Biomarker, die Untergruppen von Patienten mit unterschiedlichem Therapiebedarf charakterisieren können.
Nach Angaben der WHO sind Depressionen bei Frauen um 50 Prozent häufiger als bei Männern.
„Wir haben die oben genannten Variablen ausgesucht, weil sie bereits in der Fachliteratur mit der Entstehung von Depressionen in Verbindung gebracht wurden, aber sie wurden nicht zusammen untersucht“ – sagte Dr. Nóra Eszlári, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pharmakologie der Semmelweis Universität und Erstautorin der Studie.
„Die meisten Untersuchungen betrachten die Behandlungsmöglichkeiten aus der Perspektive der bereits vorhandenen Symptome depressiver Patienten“ – fügte sie hinzu. „Unser Ziel war es, die aus der Allgemeinbevölkerung rekrutierten Teilnehmer, darunter sowohl gesunde als auch depressive Menschen, nach Merkmalen zu gruppieren, welche ein Risiko für die Entstehung der Krankheit darstellen. Daher könnten unsere Ergebnisse auch für die Prävention der Erkrankung nützlich sein“.
Die Semmelweis-Forscher wollten auch herausfinden, ob es in den ermittelten Risikogruppen einen gemeinsamen genetischen Hintergrund für Depressionen gibt. Ein solcher Zusammenhang wurde nur bei Frauen, nicht aber bei Männern festgestellt.
Bei Frauen in höheren Risikogruppen (negative Emotionalität, hoher Körperfettanteil, geringer Bildungsstand) wurden bestimmte Genvarianten des Immunsystems (z. B. rs526266 oder rs7530503) mit der Entwicklung einer Depression in Verbindung gebracht. Das heißt, wenn eine Frau dieser Risikogruppe auch die von den Forschern identifizierten Genvarianten trägt, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich bei ihr eine Depression entwickeln kann.
Und bei Frauen aus Risikogruppen wurde ein ähnlicher Zusammenhang zwischen bestimmten Genvarianten des Geruchsrezeptors (z. B. rs61957879) und der Depression festgestellt. Mit anderen Worten: Frauen, die seltener negative Emotionen erleben, einen geringen Körperfettanteil haben, einen höheren Bildungsgrad aufweisen und Trägerinnen bestimmter Genvarianten sind, die mit dem Geruch in Verbindung gebracht werden, haben auch ein höheres Risiko, eine Depression zu entwickeln.
„Seit längerer Zeit ist bekannt, dass es eine wechselseitige Beziehung zwischen depressiven Symptomen und der Riechfunktion geben kann, und es gibt sogar Publikationen über die Auswirkungen des so genannten Riechtrainings oder olfaktorisches Training. Die Ergebnisse sind jedoch uneinheitlich: Eine frühere Studie ergab, dass die Riechtherapie bei depressiven Patienten unwirksam war; in anderen Studien wurden die Symptome bei Demenzpatienten und leicht depressiven älteren Menschen besser. Unsere Ergebnisse könnten dazu beitragen, eine Untergruppe zu identifizieren, für die das Riechtraining nützlich sein könnte, entweder zur Vorbeugung oder zur Behandlung des Entstehens einer Depression“ – erklärte Dr. Eszlári.
Nach Ansicht der Semmelweis-Forscher besteht ein weiterer großer Vorteil ihrer aktuellen Studie darin, dass sie anstelle der üblichen biologischen (genetischen, bildgebenden, elektrophysiologischen) Merkmale die Patienten nach Merkmalen gruppiert haben, die sich leicht und relativ kostengünstig erfassen ließen (Fragebogen, Körperfettmessung), und in den auf diese Weise datengesteuert gebildeten spezifischen Gruppen den genetischen Hintergrund der Depression untersucht haben. Wenn andere Forscherteams bei anderen Samples zu ähnlichen Ergebnissen kommen, könnte dieser Ansatz die Ermittlung von Patientengruppen in Zukunft einfacher und kostengünstiger machen.
Angelika Erdélyi
Foto: Bálint Barta; Featured image (Illustration): Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák