Heute müssen wir Lungenkrebs und die Behandlungschancen der Betroffenen ganz anders betrachten als noch vor 10 Jahren“ – betonen Dr. Veronika Müller, Direktorin der Klinik für Pneumologie und Dr. Lilla Tamási, stellvertretende Direktorin und Leiterin des Onkologie-Teams an der Semmelweis Universität. Kürzlich hat auch eine ungarische Studie gezeigt, dass sich die Überlebensrate für fortgeschrittenes Lungenadenokarzinom, die häufigste Form von Lungenkrebs, dank der Fortschritte in der Diagnostik und der modernen Behandlungsmöglichkeiten innerhalb von 10 Jahren verdoppelt hat. Die Klinik für Pneumologie der Semmelweis Universität ist eines der führenden pulmonologischen Zentren Ungarns mit mehr als 2500 onkologischen Behandlungen pro Jahr.
Lungenkrebs ist eine der schlimmsten onkologischen Erkrankungen in Bezug auf die Sterblichkeit, und Ungarn war in dieser Hinsicht früher in Europa führend, da die Inzidenz aufgrund der hohen Zahl von Rauchern und der geografischen Lage des Landes sehr hoch war. Heute müssen wir diese Krankheit jedoch anders angehen. Durch neuartige Therapien wie Immuntherapien und zielgerichtete Therapien sowie eine personalisierte Behandlung von Lungenkrebs, selbst bei inoperablen, fortgeschrittenen und metastasierten Fällen, kann die Überlebensrate erheblich verbessert werden“- erklärt Dr. Veronika Müller, Direktorin der Klinik für Pneumologie. Die Klinik der Semmelweis Universität ist eines der führenden pulmonologischen Zentren des Landes, in dem jedes Jahr etwa 500 neue Lungenkrebspatienten diagnostiziert werden. In der Klinik stehen sämtliche modernen Therapien zur Verfügung, und es werden jährlich mehr als 2 500 onkologische Behandlungen durchgeführt, wobei in jedem möglichen Fall diese hochmodernen Produkte eingesetzt werden“ – fügte sie hinzu.
Es gibt zwei große Gruppen von Lungenkrebs: In 80 % der Fälle handelt es sich um das so genannte nicht-kleinzellige Karzinom, zu dem das häufigste Adenokarzinom sowie das Plattenepithelkarzinom und das großzellige Lungenkarzinom gehören. Das kleinzellige Lungenkarzinom ist in 20 % der Fälle weniger häufig, hat aber die schlechteste Prognose.
Es hängt von der Art der Krebserkrankung ab, welche der modernen Behandlungen, die von der ungarischen Krankenkasse landesweit angeboten werden, ein Patient erhalten kann. „Die zielgerichtete Therapie wird bei fortgeschrittenem und metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs und in einigen chirurgischen Fällen gewählt, wenn die molekularpathologische Diagnostik eine Mutation auf der Tumoroberfläche bestätigt, für die wir ein entsprechendes Medikament haben. Heute gibt es etwa zehn Mutationen, für die eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung steht, und darüber hinaus finanziert die ungarische Krankenkasse die Untersuchung von 52 Genen, d. h. aller Mutationen, für die irgendwo auf der Welt klinische Studien vorgenommen werden“ – sagte Dr. Lilla Tamási und wies darauf hin, dass auch die Gensequenzierung an der Universität, im Institut für Pathologie und experimentelle Krebsforschung, durchgeführt wird. Die zielgerichtete Therapie kann nur beim Adenokarzinom, dem häufigsten Lungenkrebsart, die im Epithel der Drüsen entsteht, eingesetzt werden. Bei anderen Krebsarten kann die Immuntherapie, eine der modernen Behandlungsmöglichkeiten in Frage kommen, mit oder ohne konventionelle Chemotherapie.
Die Behandlung von Patienten mit Lungenkrebs erfolgt hauptsächlich auf der Grundlage einer regionalen Versorgungspflicht in Ungarn. Im ganzen Land gibt es stationäre Lungenzentren, in denen die Diagnose gestellt wird und moderne Immuntherapien und gezielte Behandlungen in allen Regionen zur Verfügung stehen. Die erste zielgerichtete Therapie wurde in Ungarn im Jahre 2012 eingeführt und die erste Immuntherapie im Jahre 2017. Die modernen Behandlungen werden vollständig von der NEAK (Nationale Kasse für Gesundheitsversicherung) finanziert. Ungarn ist inzwischen von den letzten Reihen ins Mittelfeld gerutscht, was die Überlebensrate der behandelten Lungenkrebspatienten in Europa angeht.
Welchen Durchbruch die Entwicklung und finanzierte Verfügbarkeit neuer Therapien darstellt, zeigt die landesweite Studie, die gemeinsam von der Ungarischen Gesellschaft für Pneumologie und dem Pharmaunternehmen MSD durchgeführt wurde und bei deren wissenschaftlicher Konzeption und Auswertung die Semmelweis Universität zusammen mit anderen großen Lungenzentren in Ungarn eine führende Rolle spielte. Die HELP-3-Studie untersuchte das Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem und metastasiertem Lungenkrebs. Die Ergebnisse, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurden, zeigten, dass der Zugang zu modernen zielgerichteten und immunonkologischen Therapien die Überlebensraten fast verdoppelt: Bei Patienten, die 2019 mit der Behandlung begannen, verbesserte sich die Drei-Jahres-Überlebensrate deutlich auf 28,7 Prozent, verglichen mit 14,5 Prozent bei denjenigen, die 2011 diagnostiziert wurden.
Diese höhere Überlebensrate kann jedoch erreicht werden, wenn Lungenkrebs als Marathon und nicht als Sprint behandelt wird, da die detaillierte molekularpathologische Diagnostik zeitaufwändig ist. Die Forschung hat auch gezeigt, dass die Überlebenschancen schlechter sind, wenn die Therapie schnell, aber ohne detaillierte Daten begonnen wird
– betonte Dr. Lilla Tamási. Es ist sehr wichtig, dass der Tumor gut definiert ist und dass über die Therapie von einem Onko-Team entschieden wird – fügte sie hinzu.
Die meisten dieser Behandlungen werden den Patienten im Rahmen einer eintägigen Behandlung zuteil. Für den Komfort der onkologischen Patienten stehen in der Klinik für Pneumologie der Semmelweis Universität auch zehn neue automatisierte Stühle zur Verfügung, die im vergangenen Jahr speziell für diese Behandlungen bereitgestellt wurden.
Neben einer breiten Palette von Therapiemöglichkeiten verfügt die Universitätsklinik über alle diagnostischen Möglichkeiten. Eine wichtige Untersuchung bei Verdacht auf Lungenkrebs ist die Bronchoskopie, zu der auch eine Biopsie, also die Entnahme einer Probe aus der Lunge, gehört. In der Klinik stehen nun alle modernen bronchoskopischen Verfahren zur Verfügung, einschließlich des endobronchialen Ultraschalls, mit dem sich der Lymphknotenbefall noch genauer nachweisen lässt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass zum Onko-Team auch ein Spezialist für Nuklearmedizin und ein Radiologe für invasive Verfahren gehören, was die Diagnostik deutlich beschleunigt“ – betonte Dr. Veronika Müller.
An der Semmelweis Universität wird ein neues Labor für die Herstellung von Onkotherapeutika gebaut
Die per Infusion zu verabreichenden Onkotherapeutika werden von der Apotheke des Semmelweis Universität innerhalb kürzester Zeit nach der Verschreibung der Therapie patientenspezifisch zubereitet, betonte Dr. Szilvia Sebők, Chefapothekerin. Die Herstellung dieser Zytostatika-Mischinfusionen ist noch teilweise zentralisiert. Gleichzeitig wird ein Labor für die Zubereitung von Zytostatika-Mischinfusionen mit Isolatoren eingerichtet, das den neuesten Empfehlungen entspricht und ein hohes Maß an Sicherheit bei der Zubereitung gewährleistet. Sobald dies fertig ist, wird die Universitätsapotheke in der Lage sein, den gesamten Bedarf der Einrichtung zu decken.
Pálma Dobozi
Foto: Bálint Barta, Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák