Da wir 90% unserer Zeit innerhalb von Gebäuden verbringen, ist die Innenraumluft der wichtigste Faktor innerhalb das Lebensumfeld, das unsere Gesundheit beeinflusst. Etwa die Hälfte der Schadstoffe in Innerräumen kommt von außen, die andere Hälfte wird im Haus erzeugt – dies ist der Anteil, den wir am stärksten beeinflussen können und der sich durch die Reduzierung der im Haus bewendeten Chemikalien sowie durch häufiges Lüften wirksam verbessern lässt.
Jede chemische Substanz, die wir ins Haus bringen, erhöht die Krankheitslast, die durch das Innerraumklima verursacht wird“
– sagt Dr. Tamás Pándics, Leiter der Fakultät für Öffentliches Gesundheitswesen und Verwaltung der Semmelweis Universität. Zu diesen Schadstoffen gehören Duftkerzen, künstliche oder natürliche Duftstoffe, die vor allem in der Winter- und Festtagszeit beliebt sind. Obwohl nur geringe Mengen dieser Chemikalien gleichzeitig freigesetzt werden, werden sie in vielen Fällen regelmäßig oder sogar dauerhaft verwendet, und die Mengen summieren sich. „Es ist diese kumulative Wirkung und die ständige Exposition gegenüber verschiedenen Chemikalien, die erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.“– sagt Dr. Tamás Pándics.
In Ungarn sind etwa 10-16% der gesamten Krankheitslast auf die Luftqualität in Innenräumen zurückzuführen.
„Außerdem ist es eine Auswirkung, die wir selbst verursachen- wir können jedoch die Entscheidung treffen, es nicht zu tun. Anders sieht es aus, wenn man an einer stark befahrenen Straße wohnt, wo die Luftqualität nur durch einen Umzug zu verbessern ist“ – fügt er hinzu.
Die kombinierte Wirkung von Duftstoffen kann langfristig das Risiko von Atemwegserkrankungen, Migräne, Reizungen der Augen und des Rachens sowie Hormonstörungen erhöhen. Sie können den Zustand von Menschen mit Grunderkrankungen, Asthmatikern, Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen und Kindern weiter verschlimmern. Und die Verbrennungsprodukte, die von (Duft-)Kerzen und Weihrauch freigesetzt werden, sind erwiesenermaßen krebserregend.
Im Körper eines Erwachsenen sind sie vorübergehend weniger spürbar, aber bei Kindern können ihre Auswirkungen in kurzer Zeit nachgewiesen werden. „Multiple chemische Sensibilität, ein Syndrom, das durch die kombinierte Wirkung vieler Chemikalien entsteht, die in kleinen Mengen freigesetzt werden, wurde erstmals bei Kindern beschreiben“– erklärt Dr. Tamás Pándics.
Diese Belastung wird durch Stoffe erhöht, die aus Reinigungsmitteln, Möbeln und Farben freigesetzt werden, die ebenfalls ständig ausdünsten. Obwohl die Vermarktung von Chemikalien für den Hausgebrauch strengen Vorschriften unterliegt und die Chemikaliensicherheit verbessert wird, werden immer mehr Chemikalien in den Haushalten verwendet. „Es mag nach dem COVID-19 widersprüchlich klingen, aber wir verwenden wirklich zu viele Desinfektionsmittel in unseren Haushalten, und zwar in unangemessen großen Mengen“ – sagt Dr. Tamás Pándics.
Dies ist besorgniserregend, weil die Risikobewertungen, auf denen die Sicherheit von Chemikalien beruht, sich auf eine einzige Chemikalie beziehen und nicht auf die kombinierte Verwendung von (Dutzenden von) Produkten. Die gleichzeitige Verwendung mehrerer Stoffe in einem Haushalt kann aufgrund der kumulativen Wirkung erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringen. „Wir setzen uns den kombinierten Wirkungen von Hunderten von Chemikalien aus, zu denen unnötige zusätzliche Wirkungen wie Duftstoffe und andere ähnliche Produkte hinzukommen, die insgesamt ernsthafte Probleme verursachen können.“– fügt Dr. Tamás Pándics hinzu.
Anstelle von künstlichen Duftstoffen und Duftkerzen empfehlen viele Hersteller natürliche ätherische Öle, die jedoch auch nicht ohne Risiken sind. Es ist ein Irrglaube, dass alles, was natürlich ist, gesund und sicher ist. (So wie es auch nicht stimmt, dass alle künstliche Stoffe schädlich sind.)
In den meisten Fällen ist die Quelle der Chemikalie/Verbindung für den Entgiftungsprozess nicht relevant“
– sagt Dr. Tamás Pándics.
Alle Fremdstoffe stellen ein chemisches Risiko dar, egal ob sie künstlich hergestellt werden oder natürlich vorkommen.
„Auch wenn sie nicht unbedingt krebserregend sind, belasten diese Stoffe die Leber, und unsere Stoffwechselprozesse sind nicht darauf eingerichtet, sie zu verarbeiten“ – fügt er hinzu.
Ätherische Öle können aus Dutzenden oder sogar Hunderten von Komponeneten bestehen, von denen einige giftig sind. Einer dieser Bestandteile ist Thujon, dasim medizinischen Salbei und dem daraus hergestellten/extrahierten ätherischen Öl enthalten ist und großen Mengen das Nervensystem schädigen kann. Das im Zimtöl enthaltene Zimtaldehyd kann Rötungen, Reizungen und allergische Reaktionen hervorrufen. Wie bei künstlichen Duftstoffen ist es wichtig, dass ätherische Öle nicht in großen Dosen oder über einen längeren Zeitraum hinweg verwendet werden. Je nach Art können sie die Haut oder Schleimhäute mehr oder weniger stark reizen.
Die Auswirkungen der meisten Duftstoffe und anderer im Haushalt verwendeter Chemikalien sind seit Jahreszeiten bekannt, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und viele Forschungsinstitute informieren die Öffentlichkeit regelmäßig über ihre Risiken. Über ihre langfristigen und komplexen Auswirkungen ist jedoch wenig bekannt. „Die chemischen Eigenschaften von Limonen, einem relativ häufigen Inhaltstoff von Parfüms, sind zwar bekannt, aber es gibt nur Schätzungen über seine lebenslange Verwendung“– sagt Dr. Tamás Pándics.
Die Frage ist nicht, welchen Duft man in welcher Menge verwenden soll – ihre Nutzung ist überhaupt nicht erwünscht.
Es ist eine zusätzliche chemische Belastung, die nicht gebraucht wird. Wenn man einen Geruchseffekt in der Wohnung überdecken will, muss man die Quelle finden und sie beseitigen“– sagt er.
Zur Verbesserung der Raumluftqualität empfiehlt der Experte neben regelmäßig Lüften die Nassreinigung, die neben Feinstaub auch Pollen, die sich auf Oberflächen absetzen, wirksam entfernt.
Zsófia Végh
Foto: Bálint Barta – Semmelweis Universität
Illustration: iStock
Übersetzung: Patrícia Hellinger