Experten der Semmelweis Universität analysierten die Daten von 7230 Patienten, die zwischen 2017 und 2021 wegen akuter Herz-Kreislauf-Probleme im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum der Semmelweis Universität behandelt wurden. Sie suchten nach Antworten auf die Frage, welche Rolle atmosphärische Parameter bei der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen könnten und welche Patientengruppen durch Wetter und Luftverschmutzung am meisten gefährdet sind.
Mit einer speziellen mathematischen Methode verglichen die Forscher die Anzahl der Personen, die mit akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ihr Alter, ihr Geschlecht und andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Probleme (wie Bluthochdruck, Diabetes, frühere Herz-Kreislauf-Erkrankungen) mit den meteorologischen Daten und Luftverschmutzung über eine Periode von fünf Jahren, aufgeschlüsselt nach Tagen.
Patienten mit Diabetes wurden als die für atmosphärische Parameter am stärksten anfällige Gruppe ermittelt.
Die Wechselwirkung zwischen Temperaturänderung (5°C≤) und erhöhter Ozonkonzentration (90 µg/m³≤) zeigte einen positiven Zusammenhang mit der Zahl der täglichen Krankenhausaufenthalte männlicher Patienten festgestellt.
Die Analyse zeigte auch, dass Menschen über 55 Jahren ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten, die durch Temperaturschwankungen ausgelöst wurden, als jüngere Menschen. Die ungarischen Forscher stellten ihre Ergebnisse auf dem Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Amsterdam und an der Semmelweis Universität in London im November vor.
„Der Lancet Countdown über Gesundheit Klimawandel hat den Klimawandel zur größten Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts erklärt. Die daraus resultierenden ungünstigen atmosphärischen Bedingungen werden den Prognosen zufolge vor allem die Häufigkeit akuter Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Für Prävention und das Gesundheitsmanagement ist es daher von größter Bedeutung, die relevanten Faktoren der Wetter- und Luftverschmutzung und die am stärksten gefährdeten Patientengruppen zu ermitteln” –erklärt Dr. Nora Boussoussou, Forscherin von Városmajor Herz- und Gefäßzentrum der Semmelweis Universität in Városmajor und Begründerin der Kardiometeorologie.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit für 17,9 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Sie stellt auch fest, dass der Klimawandel einen Anstieg der Häufigkeit von extremen Wetterereignissen, Hitzewellen, Stürmen, atmosphärischen Fronten und Überschwemmungen bewirkt. Die Daten zeigen, dass derzeit 3,6 Milliarden Menschen direkt Auswirkungen der globalen Erwärmung ausgesetzt sind. Die WHO sagt voraus, dass zwischen 2030 und 2050 die Zahl der durch den Klimawandel verursachten Todesfälle (z.B.: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unterernährung, Infektionskrankheiten) weltweit um 250 000 pro Jahr steigen könnte.
Jeder kardiovaskuläre Zustand, der mit Veränderungen der meteorologischen Parameter einhergeht, kann als kardiometeorologisches Syndrom definiert werden.
Die Kardiometeorologie ist ein neues, lösungsorientiertes Wissenschaftsgebiet, das die Auswirkungen atmosphärischer Parameter und des Klimawandels auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Sie zielt auch darauf ab, Präventionsstrategien zu entwickeln, die dazu beitragen können, die negativen kardiovaskulären Auswirkungen von Umweltfaktoren zu mildern. Während sich frühere Studien in erster Linie auf die Faktoren der Wetter- und Luftverschmutzung konzentriert haben, analysieren die Forscher der Semmelweis Universität die kombinierten gesundheitlichen Auswirkungen der atmosphärischen Bedingungen.
„Wir wollen ein komplexes Warnsystem aufbauen, mit dem sich Krankenhäuser und die am meisten gefährdeten Patienten auf wettbedingte Gesundheitsnotfälle mit Herz-Kreislauf-Patienten vorbereiten können.
Die Kardiometeorologie ist ein neues Paradigma der Medizin, das der kardiologischen Praxis einen Umweltaspekt verlieht. In unserem Konzept spielt die Vorbeugung eine wichtige Rolle, und wir wollen herausfinden, welche Patientengruppen bei bestimmen Witterungsbedingungen mehr Aufmerksamkeit benötigen”
–fügt Dr. Nora Boussoussou hinzu.
Die Semmelweis Universität leitet die kardiometeorologische klinische Forschung in Rahmen des Projekts „Nationales Labor für Klimawandel” in Ungarn. In ihrer nachfolgenden Veröffentlichung werden die Forscher die Auswirkungen der atmosphärischen Bedingungen auf andere Krankheiten analysieren.
Angelika Erdélyi
Foto: Dr. Nora Boussoussou; Bietragsbild: iStock: dragana991
Übersetzung: Patrícia Hellinger