Der diesjährige Preis der Ungarischen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie ging an ein Produkt von AstraZeneca, das zur Verbesserung des Überlebens und der Lebensqualität von Diabetikern, Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischen Nierenerkrankungen beitragen kann, deren Anzahl in Ungarn auf fast 2 Millionen geschätzt ist.

„Im 21. Jahrhundert ist die Medikamentenforschung wieder multidisziplinär geworden, sie ist nicht mehr von der klinischen Pharmakologie zu trennen. Deshalb ist es eine besondere Leistung, dass es der Ungarischen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie seit 61 Jahren gelungen ist, die von der Gesellschaft als Dachorganisation vertretenen Disziplinen und die ungarische Medikamentenentwicklung und -produktion zusammenzuhalten“, sagte Dr. Péter Ferdinandy, Präsident der Gesellschaft, Vizerektor für Wissenschaft und Innovation der Semmelweis Universität und Direktor des Instituts für Pharmakologie und Pharmakotherapie. Ziel der Gesellschaft ist die Förderung der Pharmakologie und der klinischen Pharmakologie sowie die Entwicklung der ungarischen Arzneimittelforschung und -innovation, einschließlich der präklinischen und klinischen Entwicklung und der klinischen Erprobung von Medizinprodukten und deren Kombinationen. Der Preis für das Medikament des Jahres wird seit 1996 auf Vorschlag einer unabhängigen Jury verliehen, um die Entwicklung bahnbrechender therapeutischer Produkte in Ungarn zu fördern.

Um den markengeschützten Preis kann man sich mit Arzneimitteln, Kombinationen aus neuen Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie mit innovativen Nachfolgeprodukten bewerben. Zu den Beurteilungskriterien gehören die Unterstützung inländischer Forschung und Entwicklung (zumindest in dem Maße, in dem inländische klinische Studien entweder zur Indikationserweiterung oder zur Markteinführung durchgeführt werden) und die Frage, ob der Wirkmechanismus neuartig ist, und ob er eine Marktlücke in dem therapeutischen Bereich erfüllt“ – sagte Dr. Péter Ferdinandy.

 

Die diesjährige Auszeichnung ging an ein Produkt, das von AstraZeneca 2012 grundsätzlich für die Behandlung von nicht genügend kontrolliertem Typ-2-Diabetes zugelassen wurde. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass es eine komplexe Therapie für eine Reihe von Volkskrankheiten bietet und sein Wirkstoff Dapagliflozin sich klinisch als wirksam bei der Verhinderung und Verzögerung bestimmter Krankheiten erwiesen hat. Das Produkt von AstraZeneca bietet eine komplexe Therapiemethode den Patienten mit Diabetes, symptomatischer Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung (CKD) und könnte das Überleben und die Lebensqualität von bis zu 2 Millionen Ungarn verbessern“ – sagte Dr. Péter Ferdinandy.

Dr. György Bagdy, Universitätsprofessor am Institut für Pharmakodynamik der Semmelweis Universität und Vorsitzender der Jury des Wettbewerbs, hob in seinem Vortrag hervor, dass Dapagliflozin zu einer relativ neuen Medikamentengruppe gehört, da es die Funktion eines Natrium-Glukose-Cotransporters hemmt, des SGLT-Enzyms, das für 90 Prozent der Glukoseaufnahme verantwortlich ist. Aus diesem Grund wurde es zunächst als Therapie für Diabetes erforscht und zugelassen. In der Folgezeit wurden weitere positive Wirkungen in der klinischen Anwendung beobachtet, so dass es inzwischen umfangreiche Belege für seinen Einsatz bei chronischer Herzinsuffizienz, chronischen Nierenerkrankungen und atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt.

Bei Typ-2-Diabetes sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Komplikation und Todesursache, da Diabetes die Inzidenz von koronaren Herzkrankheiten und Schlaganfällen um das Zwei- bis Vierfache und das Risiko einer Herzinsuffizienz um das Zwei- bis Sechsfache erhöht. Herzinsuffizienz tritt bei 2 % der erwachsenen Bevölkerung auf, und die Ein-Jahres-Sterblichkeitsrate für Betroffene liegt bei über 10 %. Erschwerend kommt hinzu, dass Bluthochdruck und Diabetes eine wichtige Rolle bei der Entstehung chronischer Nierenerkrankungen spielen – etwa 40 Prozent der Diabetiker leiden auch an einer chronischen Nierenerkrankung. Eine schlechte, eingeschränkte Nierenfunktion ist ein wichtiger prädisponierender Faktor für eine frühe kardiovaskuläre Mortalität, wobei einige Patienten eine Nierenersatztherapie und schließlich eine Transplantation benötigen.

Laut früheren Studien sind in Ungarn bis zu 1,5 Millionen Menschen von Diabetes und seinen Vorstufen (Prädiabetes) betroffen – mit jährlichen Kosten von ca. 100 Milliarden HUF für die ungarische Krankenkasse -,

sowie einer aktuellen Studie der Universität Pécs zufolge ist auch die chronische Nierenerkrankung ein stark unterdiagnostiziertes volksgesundheitliches Problem, von dem mehr Menschen betroffen sind als bisher angenommen. Mit anderen Worten: Der Einsatz des Medikaments könnte das Leben von rund 2 Millionen Menschen erleichtern, da es ein sehr günstiges Nebenwirkungsprofil aufweist – das Molekül hat nicht die typischen Nebenwirkungen von Medikamenten, die z.B. bei deren Einsatz im Falle chronischer Herzinsuffizienz auftreten – und hat  mit anderen Medikamenten keine Wechselwirkungen.

Besonders interessant an dem Produkt ist, dass es auch bei Nicht-Diabetikern wirksam ist, während es immer mehr Beweise für seine Einsatzfähigkeit bei der Behandlung der nichtalkoholischen Fettleber und der akuten Herzinsuffizienz gibt“ – sagte Dr. György Bagdy.

Dr. István Wittmann, Direktor der II. Klinik für Interne Medizin und des Zentrums für Nephrologie und Diabetologie des Klinikums an der Universität Pécs, Präsident der Ungarischen Diabetesgesellschaft, stellte den 200 Jahre alten Ursprung des Medikamentenmoleküls, seinen Wirkmechanismus bei der Hemmung der Glukose- und Natriumrückresorption sowie die Ergebnisse randomisierter klinischer Studien vor, die zur Bestätigung dieser Ergebnisse durchgeführt wurden. Er sagte, dass die Nephrologen bereits bei der Einführung des Medikaments erkannt hatten, dass das Molekül, wenn es die Glukoseaufnahme in der Niere hemmt, was die Entwicklung einer Insulinresistenz einschließt, und die Ausscheidung von Glukose aus dem Körper fördert, auch eine schützende Wirkung auf die Nieren haben muss. Dies wurde später in klinischen Studien bestätigt. Noch wichtiger ist jedoch, dass es die Natriumaufnahme hemmt, da es auch die Nierenfunktion unterstützt und eine positive Wirkung auf den Kreislauf hat. Er wies auch darauf hin, dass das Molekül auch auf Immunzellen wirkt, wobei das genaue Ausmaß dieser Wirkung noch nicht bekannt ist. Er beschrieb die gemeinsame Empfehlung zur Verwendung von SGLT2-Hemmern und GLP-1-Rezeptorantagonisten, die letztes Jahr von der Amerikanischen Diabetes Gesellschaft sowie der Europäischen Gesellschaft für Diabetes veröffentlicht wurde.

Die letztgenannte Gruppe so genannter „diabetes modifying drugs“ hat eine neue Herangehensweise in der Diabetologie gebracht, indem sie das Risiko kardiorenaler Komplikationen deutlich reduziert“ – erklärte Dr. István Wittmann.

In den letzten zehn Jahren hat sich die neue Richtung, die durch den Strategiewechsel des Unternehmens vorgegeben wurde, als richtig erwiesen. Demnach liegt der Schwerpunkt in den schwereren Phasen einer Krankheit – durch Verzicht auf eine symptomatische Therapie – auf der früheren Erkennung der Krankheit und – wenn möglich – auf der Aufhebung der pathologischen Zustände sowie auf der Entwicklung von Arzneimitteln, um so viele Einnahmen wie möglich in Forschung und Entwicklung zu reinvestieren“ – sagte Balázs Sinkovits, Leiter der Abteilung Government Relations bei AstraZeneca GmbH bei der Übernahme der Auszeichnung. Das Forschungsportfolio des Unternehmens umfasst Produkte auf der Basis von Kleinzellen, Antikörpern, Proteinen, Zellen und Nukleotiden in fünf wichtigen therapeutischen Bereichen: Onkologie, Hämatologie, Atemwegserkrankungen, sowie Impfstoffe und Immunologie als neuere Geschäftsbereiche und die Entwicklung von Produkten zur Behandlung seltener Krankheiten. Das Unternehmen mobilisiert auch beträchtliche Ressourcen für die Forschung in Ungarn, mit etwa 70 klinischen Studien pro Jahr, an denen etwa 1300 Patienten teilnehmen, und dabei wird durchschnittlich 3,6 Milliarden Forint pro Jahr für Forschung und Entwicklung verwendet. In den nächsten ein bis drei Jahren werden in Ungarn 52 neue onkologische Indikationen, 26 respiratorische Indikationen, 9 neue kardio-renal-metabolische und 9 neue Indikationen für seltene Krankheiten untersucht.

 

Melinda Katalin Kiss
Foto: Bálint Barta – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák