Nach Angaben von Forschern der Semmelweis Universität kann das Risiko von Entwicklungsstörungen bei Föten, deren Mütter in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft an Grippe erkranken, im Durchschnitt um 50 Prozent höher sein. Den Experten zufolge ist es daher besonders wichtig, sich sowohl vor der geplanten Schwangerschaft als auch danach während den 9 Monaten gegen Grippe impfen zu lassen. Es handelt sich um die erste Studie weltweit, die sich ausschließlich auf Grippekomplikationen im ersten Trimester konzentriert.
Zu den häufigsten nicht genetisch bedingten Anomalien gehören Neuralrohrdefekte (offene Wirbelsäule und andere Hirnentwicklungsstörungen), vordere Lippen- und Gaumenspalten sowie angeborene Herzfehler.
Die Wissenschaftler untersuchten mehr als zehntausend ungarische und internationale Studien, von denen sie schließlich die Daten von 14, zwischen 1964 und November 2022 veröffentlichten Artikeln miteinander verglichen. Ihre zusammenfassende Analyse, die erste weltweit, die sich ausschließlich auf Grippekomplikationen im ersten Trimester konzentriert, wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Viruses veröffentlicht.
Dr. Ákos Mátrai, Facharzt der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde sagte wie folgt:
„Schwangerschaftskomplikationen, die durch Virusinfektionen verursacht werden, sind in den letzten Jahren durch die Coronavirus-Epidemie ins Rampenlicht gerückt, und es ist möglich, dass wir in Zukunft mit einer ähnlichen Pandemie konfrontiert werden könnten. In unserer Analyse haben wir die Antwort auf die Frage gesucht, welche Risiken die Grippe, eine der häufigsten Virusinfektionen, für schwangere Frauen und ihre Föten birgt, wenn sie ihr im ersten Trimester der Schwangerschaft ausgesetzt sind. Dieser Zeitraum ist besonders wichtig, da sich in dieser Zeit die Organe des Fötus herausbilden.“
Es wurden die Daten von insgesamt 85 855 Geburten bei Frauen im Alter von 20-45 Jahren miteinander verglichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Gesamtrisiko für Geburtsfehler im Vergleich zu einer gesunden Schwangerschaft um 50 % (das Eineinhalbfache) steigen kann, wenn die Mutter in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft an Grippe erkrankt.
Dazu gehört ein durchschnittlich 148 % (2,48-fach) höheres Risiko für die Entwicklung sogenannter Neuralrohrdefekte, die besonders wichtig sind, weil sie zu den häufigsten Ursachen genetischer Fehlgeburten gehören.
Im Durchschnitt kann das Risiko, dass sich eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte entwickelt, ebenfalls um das 2,48-fache ansteigen. Bei Kindern, die mit einer Gaumenspalte geboren werden, treten häufig Fütterstörungen, Hörverlust und Sprechschwierigkeiten auf.
Bei der dritten großen Gruppe, den angeborenen Herzfehlern, kann sich das Risiko um durchschnittlich 63 % (1,63-fach) erhöhen. Innerhalb dieser Gruppe kann das Risiko der Herausbildung einer Aortenisthmusstenose (aorta coarctatio), durch einen grippalen Infekt im ersten Trimester der Schwangerschaft bis zum Vierfachen ansteigen.
In den analysierten Studien wurde auch darüber berichtet, dass das Risiko für die Entwicklung von Gliedmaßen- und Augenanomalien ebenfalls höher sein kann.
Dr. Nándor Ács, Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde an der Semmelweis Universität fügte hinzu, dass die Bedeutung der Prävention nicht oft genug betont werden kann.
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Grippeinfektion im ersten Trimester mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden sein kann, da dies der kritischste Zeitraum für die Entwicklung des Fötus ist. Wir empfehlen daher, dass sich alle Frauen, die ein Kind planen und bereits schwanger sind, gegen Grippe impfen lassen sollten.
Die bisherigen Beobachtungen deuten darauf hin, dass nicht das Virus selbst, sondern das Fieber zu Komplikationen führen kann. Sollte man sich während der Schwangerschaft infizieren, empfehlen Experten eine sorgfältige Fieberkontrolle und regelmäßige Ultraschalluntersuchungen des Fötus. Frühere Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass durch die Einnahme von Folsäure und Vitaminen die Anomalien vorgebeugt werden können.
Laut Schätzung sind 3-5 % der Schwangerschaften von irgendeiner Art von Geburtsfehler betroffen, was für 20-25 % der Todesfälle bei Neugeborenen verantwortlich ist.*
Nach Angaben des Centers for Disease Control and Prevention erkranken jedes Jahr 39-51 Millionen Menschen an der Grippe A, B oder C, meist in dem Zeitraum von Dezember bis März. In Ungarn liegt die Zahl der Erkrankten nach Angaben des Statistikamtes bei 400.000. Die Inkubationszeit des Virus beträgt etwa 48 Stunden, und die Genesung dauert in der Regel 3-7 Tage, wobei es bei manchen Patienten zu einer Sekundärinfektion kommen kann. Bei schwangeren Frauen kann dies zu Komplikationen führen.
Das Forscherteam der Semmelweis Universität arbeitet derzeit auch an einem eigenen umfangreichen Forschungsprojekt. Sie suchen ebenfalls nach Antworten auf die Frage, inwieweit die Influenza im ersten Trimester Geburtsfehler beeinflussen kann, indem sie die Angaben des weltweit einzigartigen sogenannten Nationalen Registers für angeborene Fehlbildungen analysieren. Diese Datenbank enthält detaillierte Daten zu fast 90.000 Geburten in Ungarn zwischen 1980 und 2009, und die bisherigen Ergebnisse unterstützen die Schlussfolgerungen der internationalen zusammenfassenden Analyse.
Die Auswirkungen von Grippeinfektionen auf die Schwangerschaft spalten seit langem die wissenschaftliche Fachwelt. Einige frühere Studien haben beispielsweise keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer Viruserkrankung und angeborenen Fehlbildungen festgestellt. Die vorliegende Analyse zeigt, dass eine Mutter, die im ersten Trimester an Grippe erkrankt, mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Kind mit einer nicht genetisch bedingten Fehlbildung zur Welt bringen kann.
*Etiology and clinical presentation of birth defects: population-based study. AUFeldkamp ML. 2017;357: j2249. Epub 2017 May 30.
Angelika Erdélyi
Foto: Attila Kovács, Bálint Barta – Semmelweis Universität; Beitragsbild (Illustration): Envato Elements
Übersetzung: Judit Szlovák