Am 7. Januar 2022 wurde einem 57-jährigen Mann in den USA als erstem Menschen auf der Welt ein gentechnisch verändertes Schweineherz transplantiert. Dr. Béla Merkely, Rektor der Semmelweis Universität und Direktor des Városmajor Herz- und Gefäßzentrums sagte dazu: Bereits vor 30 Jahren, nach der ersten Herztransplantation in Ungarn, wies Professor Dr. Zoltán Szabó darauf hin, dass die langfristige Lösung ein genetisch verändertes Schweineherz sein würde. In diesem Artikel fasst Dr. Szilvia Kugler, Assistenzärztin in der Városmajor-Klinik, die medizinischen Details des aktuellen Falles sowie die molekularen Grundlagen der bei Xenotransplantationen durchgeführten Genveränderungen zusammen.

Vor 30 Jahren, als Dr. Zoltán Szabó Ungarn erste Herztransplantation durchführte, sagte folgendes: die langfristige Lösung wird das Transplantieren eines gentechnisch veränderten Schweineherzens. Vor dieser Operation wartete der Professor lange Zeit, bis das geeignete Spenderherz gefunden wurde. Und 30 Jahre nach dieser Aussage wurde die erste solche Xenotransplantation gemacht.

– sagte Dr. Béla Merkely, Rektor im Zusammenhang der aktuell veröffentlichten Nachricht. Wenn das gentechnisch veränderte Schweineherz langfristig funktionieren kann, kann es die Versorgung schwerkranker Patienten mit Herzinsuffizienz revolutionieren, da es eine Lösung für die weltweit herrschende Spenderkrise bietet – sagte der Direktor des Városmajor Herz- und Gefäßzentrums. Generell warten weltweit mehrere Menschen auf ein Organ, da nicht genügend Spender zur Verfügung stehen. Und eine Epidemie, wie die derzeitige, könnte diese Situation noch verschärfen.

Der Rektor und Kardiologe Dr. Béla Merkely erinnerte auch daran, dass die derzeitige Implantation von Xenotransplantat eine längere Vorgeschichte hat (siehe unsere Zusammenfassung weiter unten). Die aus Schweineherzklappen gefertigten biologischen Klappen sind bereits seit Jahrzehnten in der täglichen Praxis verwendet, unter anderem bei der Katheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Im Hintergrund der Anwendbarkeit dieser biologischen Klappen steht auch, dass die Antigenität des Herzbeutels sehr gering ist. Weiterhin ist auch wichtig, was für eine Immunreaktion beim Einsetzen in den Körper ausgelöst wird.

Die am 7-ten Januar 2022 durchgeführte Xenotransplantation bei dem 57-jährigen Mann war unbedingt nötig, da die vor der Operation durchgeführte sechswöchige Behandlung  von dem – an Herzinsuffizienz im Endstadium leidenden Patienten –  unwirksam war. Er war ständig auf mechanische Kreislaufunterstützung angewiesen und wurde aufgrund seines schweren Gesundheitszustands als ungeeignet für die Transplantation eines menschlichen Herzens angesehen. Die Transplantation des genetisch veränderten Schweineherzens wurde in der US-Stadt Baltimore gemacht, die Operation dauerte etwa sieben Stunden lang.  Laut Mitteilungen geht es dem Patienten gut, die wissenschaftliche Welt erwartet die weiteren Ergebnisse mit großer Interesse.

Die Herstellung des gentechnisch veränderten Schweineherzens ist mit dem Unternehmen Revivicor verbunden. Insgesamt wurden bei zehn Genen Änderungen durchgeführt. Vier Schweinegene wurden inaktiviert, von denen eines zu einer allmählichen Vergrößerung des Schweineherzens und drei zu einer Abstoßung des Organs nach der Transplantation geführt hätten. Sechs menschliche Gene wurden in das Schweinegenom implantiert, um negative immunologische Reaktionen zu verringern. Obwohl die Gene, die für die Abstoßung des transplantierten Schweineherzens verantwortlich sind, erheblich verändert wurden, wurde von den operierenden Ärzten bestätigt, dass beim Rezipient eine starke immunsuppressive Therapie nötig ist.  

Die Xenotransplantation (Verpflanzung eines Organs von einer anderen Spezies) hat schon eine jahrzehntelange Geschichte. 1984 wurde einem in Kalifornien geborenen Baby mit einer schweren Herzfehlbildung ein Pavianherz implantiert, doch es starb 21 Tage nach der Operation. Später wurde eindeutig, dass die meisten Schwierigkeiten bei Xenotransplantationen wegen den – sich aus Unterschieden der Tierarten ergebenden Immunreaktionen – entstehen. Daraufhin begann man mit der Herstellung gentechnisch veränderter tierischer Organe, wie z. B.  mit Modifizierung des Schweineherzens. In vielen Fällen zielen die Genveränderungen auf die Moleküle ab, die für Immunreaktionen verantwortlich sind. Diese Forschungen sind zweifellos von klinischer Bedeutung, da die Zeit auf der Warteliste für Transplantationen erheblich verkürzt werden könnte, wenn gentechnisch veränderte Organe auf breiter Basis zur Verfügung stünden.

Im Oktober 2021 wurde einem hirntoten Patienten in New York mit Zustimmung der Familie eine Schweineniere implantiert. Nach dem Eingriff funktionierte die Niere mehrere Tage gut.

Über die molekularen Grundlagen der Genveränderungen bei Xenotransplantation werden in mehreren neueren Veröffentlichungen berichtet. In mehreren diesen Publikationen geht es um die Verhinderung von Transplantatschäden aufgrund immunologischer Reaktionen. Zu den Möglichkeiten der Genmodifikation gehören die Einführung humaner komplementregulierender Proteine (CD46, CD59, CD55), die Eliminierung xenoreaktiver Antigene (z. B. durch Silencing der α1,3-Galaktosyltransferase), die Hemmung der zellulären Xenotransplantatabstoßung (einschließlich der Expression von humanem CD47), die Einführung humaner Proteine, die die Blutgerinnung regulieren, und entzündungshemmender Proteine (Lu et al. 2019). In einer Publikation aus dem Jahr 2018 wurden über das Silencing der α1,3-Galaktosyltransferase in 14 genetisch veränderten Schweineherzen, die in Paviane transplantiert wurden, sowie über die Einführung des menschlichen CD46-Moleküls und des Thrombomodulins mit guten klinischen Ergebnissen berichtet (Längin et al. 2018). Während einer späteren Forschung wurden diese Genveränderungen bei Schweineherzen, die in 8 männliche Paviane implantiert wurden, durchgeführt, und auch hier wurde ein günstiges klinisches Ergebnis (Überleben von 3-6 Monaten) festgestellt (Reichart et al. 2020).

Quellen:

https://www.bbc.com/news/world-us-canada-59944889

https://www.bbc.com/news/world-59951264

https://www.newscientist.com/article/2304167-how-a-pig-heart-was-transplanted-into-a-human-for-the-first-time/

https://www.sciencedaily.com/releases/2022/01/220110183051.htm

https://www.fiercebiotech.com/medtech/revivicor-s-genetically-modified-pig-heart-first-successfully-transplanted-human-patient

Lu T, Yang B, Wang R, Qin C. Xenotransplantation: Current Status in Preclinical Research. Front Immunol 2019;10:3060.

Längin M, Mayr T, Reichart B et al. Consistent success in life-supporting porcine cardiac xenotransplantation. Nature 2018;564:430–433.

Reichart B, Längin M, Radan J et al. Pig-to-non-human primate heart transplantation: The final step toward clinical xenotransplantation? Journal of Heart and Lung Transplantation 2020;39:751–757.

Pálma Dobozi, Szilvia Kugler (Városmajor Herz und Gefäßzentrum)
Foto: Attila Kovács Attila – Semmelweis Universität (Illustration)
Übersetzung: Judit Szlovák