So wie ein Marathonläufer für ein Rennen trainiert, ist es für einen Patienten auch wichtig, sich so gründlich wie möglich auf einen chirurgischen Eingriff vorzubereiten. In der Klinik für Chirurgie Transplantation und Gastroenterologie der Semmelweis Universität startete im Oktober die erste Phase des sogenannten Prehabilitationsprogramms. Ziel des Programms ist, den Patienten so gut wie möglich auf die Operation vorzubereiten und ihn in den bestmöglichen körperlichen, mentalen und Ernährungszustand zu versetzen, da dies zu einer schnelleren Genesung und weniger Komplikationen beiträgt.

Patienten, die sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterziehen, sind aufgrund des Stresses wegen der bevorstehenden Operation einem erheblichen Komplikationsrisiko ausgesetzt. Wenn ein Patient schlechte Nachricht bekommt (er hat einen Tumor und wird operiert), und aus der Sicherheit seines Zuhauses in eine unbekannte Krankenhausumgebung gebracht wird, eine schmerzhafte Wunde hat und einige Tage lang nichts essen kann – das sind alle Stressfaktoren für ihn – sagt Dr. Balázs Bánky. Der Senior Lecturer der Klinik für Chirurgie Transplantation und Gastroenterologie sprach auch darüber, dass das Ziel des im Oktober starteten und bald abgeschlossenen sogenannten ERAS-Programm („enhanced recovery after surgery”/“beschleunigte Genesung nach chirurgischen Eingriffen“) ist, damit der Eingriff möglichst stressfrei verwirklicht wird. Zu diesem Zweck prüft dieses komplexe Programm integriert alle potenziellen Stressfaktoren durch, und bietet eine gut durchdachte Antwort auf alles, von der Patienteninformation über die Ernährung bis zur Schmerzlinderung – erklärte der Experte.

Die Prehabilitation bedeutet noch mehr, sie besteht aus zwei Phasen:  aus einer 4-6-wöchigen Vorbereitungsphase direkt vor der Operation und aus der Phase der beschleunigten Genesung nach chirurgischen Eingriffen (ERAS). Die beiden Phasen funktionieren als integrierte Einheit, sie sind aber separat aufzubauen. Die Klinik startete mit Einführung des ERAS-Programms im Oktober dieses Jahres, und der Prehabilitationsprozess wird Anfang nächstes Jahr beendet – sagte der Universitätsprofessor und Klinikdirektor Dr. Attila Szijártó.

Diese Elemente funktionierten einzeln auch früher in der Klinik, jetzt tragen sie als Teil eines organisierten Programms zur Automatisierung der Versorgungen und zur Verbesserung deren Qualität – unter koordinierte Mitwirkung von Chirurgen, Krankenschwestern, Diätetikern, Physiotherapeuten, Gastroenterologen und Anästhesisten bei – fügte der Professor dazu.

Die Prehabilitation und die Bedeutung der damit verbundenen 4-6-wöchigen Vorbereitungsphase vor der Operation verbreitete sich vor einigen Jahren in West-Europe, bzw. in manchen nordamerikanischen Institutionen. Das Programm basiert auf der Tatsache, dass eine erfolgreiche Operation neben der modernen OP-Technik durch die körperliche, ernährungsbezogene und psychische Vorbereitung des Patienten deutlich verbessert werden kann.

Mit anderen Worten: Wenn wir den Patienten in den Wochen vor der Operation bewusst vorbereiten und ihn in den bestmöglichen Zustand für die Operation versetzen – so wie ein Marathonläufer sich auf ein Rennen vorbereitet -, hat er eine viel bessere Chance, sich von einem größeren chirurgischen Eingriff zu erholen. Dank dieses Programmes wird der Patient aktiver Teilnehmer der Vorbereitungsphase und des Therapieplans sein.     

Diese Zeit vor der Operation bedeutet keine einfache mehrwöchige Wartezeit für den Patienten; es ist eine aktive Vorbereitungsphase für ihn – mit vielen Aufgaben und regelmäßiger Fachkontrolle. Dadurch kann der Patient bewusst bei der Verbesserung seines Zustands und seiner möglichst schnellen Genesung mitwirken, was – nach unseren Erwartungen – sich in allen Aspekten seiner Lebensqualität widerspiegeln wird – sagt der Assistant Lecturer Dr. András Fülöp.

Ein sehr wichtiger Teil der Prehabilitation ist, dass wir eine Lebensstiländerung beim täglichen Leben des Patienten bewirken. Sie müssen sich regelmäßig unter fachlicher Aufsicht bewegen, Entspannungsübungen, psychologisches Training machen, sie erhalten Ernährungsberatung sowie bekommen zusätzliche Ratschläge zur Lebensführung, z. B. nicht zu rauchen oder keinen Alkohol zu trinken. Man rechnet damit, dass diese Elemente Teil der täglichen Routine des Patienten werden und hoffentlich auch nach der Operation erhalten bleiben

– erklärte der Assistant Lecturer.

Die Prehabilitation besteht aus drei großen Teilen.  Im Rahmen der körperlichen Vorbereitung (Training) helfen Physiotherapeuten bei der Stärkung von Muskelgruppen, die für die Operation wichtig sind, z. B. der Atemmuskulatur vor einer Bauchoperation, und steigern die Ausdauer des Patienten durch regelmäßige tägliche Bewegung. Danach kommt die Ernährungstherapie: jeder Patient nimmt an einer diätetischen Gesundheitskontrolle teil, es werden seine Essgewohnheiten und Körperzusammensetzung analysiert, sowie er erhält eine gezielte diätetische Beratung.

Das dritte und vielleicht wichtigste Element des Programms ist die psychologische Betreuung: Bei Krebspatienten ist es besonders wichtig, den Grad der Depression und der Angst einzuschätzen und gegebenenfalls psychologische Unterstützung mit Hilfe eines Psychologen zu leisten.

In der Klinik für Chirurgie Transplantation und Gastroenterologie werden zuerst die Patienten mit Dickdarmkrebs ins Programm aufgenommen. Wie Dr. Balázs Bánky, Leiter der Arbeitsgruppe für Koloproktologie der Klinik sagt, werden in Ungarn jährlich etwa 10.000 neue kolorektale Tumore diagnostiziert, von denen in der Klinik etwa 5.600 Patienten operiert werden. Laut Plan werden in der Zukunft alle chirurgischen Hochrisikopatienten in das Prehabilitationsprogramm aufgenommen.

In den letzten Monaten wurden bereits Schulungs- und Patienteninformationsbroschüren, wie z. B. das Aufgaben-Tagebuch, erstellt – fügte Dr. András Fülöp dazu. Durch Ausfüllung dieses Tagebuchs kann der Patient Rückmeldung geben, wie er auf dem Weg der Genesung vorankommen kann. Das Schlüsselelement der Methode ist daher die verstärkte Aufklärung und Informieren des Patienten, sowie die Erhöhung ihrer seiner Aktivität. Mit anderen Worten: Der Patient steht nicht nur im Mittelpunkt der Behandlung, indem er die Behandlung „erleidet“, sondern er arbeitet aktiv mit den behandelnden Fachkräften und Ärzten zusammen. 

Das Programm trägt dazu bei, dass die jungen arbeitsfähigen Patienten so schnell wie möglich und ohne Komplikationen in ihre Familien und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und so viele gesunde Lebensjahre wie möglich gewinnen – sagte der Klinikdirektor. Dr. Attila Szijártó wies auch darauf hin, dass man entsprechend der Dreier-Einheit der Universität – Bildung, Forschung und Patientenversorgung – ein gut funktionierendes Referenzzentrum errichten möchte, das eine wichtige Rolle in der Ausbildung der Studenten und auch in der Forschung spielen wird.

Orsolya Dávid
Foto: Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák