Die spezielle Sehkraft der Schlangen durch ihr Grubenorgan kann die Heilung der Retina unterstützen, durch Anwendung dieses Mechanismus kann sogar die Sehkraft der Menschen wiederhergestellt werden – wurde in der Studie der Zeitschrift „Nature Neuroscience“ am 05. Juni berichtet. Zur Forschung, worüber in der renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift berichtet wurde, trug das Retina-Laboratorium des Anatomischen, Histologischen und Embryologischen Instituts der Semmelweis Universität durch Ausarbeitung eines Human-Retinamodells und der damit verbundenen bedeutenden Wissenstransfer bei.

Die menschliche Netzhaut ist ein schwer untersuchbares, weniger bekanntes Organ. In den letzten zehn Jahren wurde immer mehr evident, dass die Schlussfolgerungen von Tierversuchen nicht direkt bei der menschlichen Netzhaut anzuwenden sind. Die Versuche in menschlichen Geweben sind aus diesem Grund besonders wichtig, wobei aber das Herankommen an menschliche Gewebe von entsprechender Qualität nicht einfach ist. Angesichts dieser Tatsache wurde im Retina-Laboratorium des Anatomischen, Histologischen und Embryologischen Instituts der Semmelweis Universität unter Leitung von Dr. Arnold Szabó ein weltweit einzigartiges gewebeproduzierendes Verfahren herausgearbeitet, wo das von Organspende zurückgeblieben Retina-Gewebe sogar über 14 Wochen unter besonders gutem histologischen Zustand am Leben zu halten ist – erklärte der Universitätsadjunkt. Das durch Laboratorium herausentwickelte Verfahren wurde an einem von Organspende zurückgebliebenen Retina-Gewebe angewendet, das anderweitig nicht nutzbar ist – dank dieses Verfahrens sind aber auch solche längerfristige Untersuchungen an menschlichem Nervengewebe durchzuführen, die bislang nicht möglich waren.

Es gibt mittlerweile ein starkes internationales Interesse ans Verfahren – sowohl auf Ebene angewandter Forschung als auch auf Ebene der Grundlagenforschung – sagte Dr. Arnold Szabó. Mehrere erfolgreiche internationale pharmazeutische Kooperationen wurden gestaltet und auch gegenwärtig gibt es diesbezügliche Verhandlungen. Dank dieser Entdeckung kam auch die gemeinsame Arbeit mit den Laboratorien von Dr. Botond Roska zustande. Der letzte Autor des dadurch zusammengestellten, vor kurzem publizierten Science-Artikels ist Dr. Botond Roska, weiterhin wurde Dr. Arnold Szabó unter mitwirkenden Autoren aufgelistet.

Dr. Botond Roska und seine Mitarbeiter entdeckten, dass mit Hilfe von Viren Kanäle in die degenerierte Netzhaut einzuführen sind, die das Licht wahrnehmen, und somit die blinde Netzhaut wieder sehfähig gemacht werden kann. Ihre Ergebnisse konnten sie aber an menschlicher Netzhaut nicht entsprechend testen – und dabei unterstütze sie das Retina-Laboratorium der Semmelweis Universität. Die gemeinsame Forschung begann im Jahre 2014, deren Ergebnis unter anderem die Publikation in „Nature Neuroscience“ war, wo Dr. Arnold Szabó als Zweitautor des Artikels aufgeführt wurde.
 
In der Zeitschrift „Nature Neuroscience“ wurde über eine zur spezifischen Gentherapie unentbehrliche künstliche Promotor-Bibliothek, d.h. über die vor den Genen befindlichen Regel-DNA-Abschnitte beschrieben, mit deren Hilfe menschliche Retina-Zellen selektiv anzuzielen sind. Durch Anwendung von Promotoren kann ein gegebenes Gen mit Hilfe von adeno-assoziierten menschenharmloser Viren-Vektoren (AAV) in die menschliche Retina reingebaut werden. Dadurch wird die Behandlung der Erkrankungen bestimmter Zellentyps, bzw. die Korrektur durch Genfehler verursachter Störungen, sowie die Bestimmung künstlich editierter Genen möglich.
 
Ziel des in Zeitschrift „Science“ beschriebenen Versuchs war die Wiederherstellung der Lichtempfindlichkeit und der Sehkraft in der blinden Retina. Die Basis dieses Versuchs war das System, das auch in der Temperaturwahrnehmung der Schlangen eine Rolle spielt: die Schlangen haben nicht nur einen Sehsinn, durch ihr spezielles Organ sind sie auch fähig, die Wärme wahrzunehmen. Die Forscher konnten mit Hilfe von adeno-assoziierten menschenharmloser Viren-Vektoren (AAV) einen künstlich modifizierten wärmeempfindlichen Ionenkanal  in die menschliche Retina reinbauen. Dieser wurde durch Wärmestrahlung vom direkten Infrarotlicht gezielt aktiviert. Die Untersuchungen bestätigten, dass dadurch die Lichtempfindlichkeit der Retina zurückkehrte, die Information kam durch die Sehbahn in die Sehrinde und teilweise konnte auch das funktionale Sehen wiederhergestellt werden.

Ein Hauptvorteil der mit dem Titel „Restoring vision using tunable near-infrared sensors” publizierten Pionierlösung im Gegensatz zu anderen noch unter Entwicklung stehenden optogenetischen Verfahren ist, dass sie auch im Fall teilweise erhaltener Sehkraft (so z.B. bei  altersbedingter Makuladegeneration) anzuwenden ist. Während den gegenwärtig parallel laufenden optogenetischen therapeutischen Verfahren von mehreren Laboratorien der Welt versucht man, einen auf sichtbares Licht empfindlichen Ionenkanal bezeigen zu lassen. Diese sind aber nur durch sehr starkes sichtbares Licht zu stimulieren, was nur bei völlig blinden Menschen angewendet werden könnte.

Die Versuche liefen unter Leitung von Dr. Botond Roska, die Idee und Entwicklung von Gentherapie gehört seiner Forschungsgruppe. Die Human-Seite, d.h. die Benutzung menschlicher Gewebe bei den Versuchen wurde aber durch das Retina-Laboratorium des Anatomischen, Histologischen und Embryologischen Instituts der Semmelweis Universität – unter Leitung von Dr. Arnold Szabó zur Verfügung gestellt. Die Versuche liefen in Basel, die die Semmelweis Universität durch bedeutenden Wissenstransfer unterstützte. „Unser Endziel ist selbstverständlich, die Blindheit zu beseitigen und die Sehkraft der Patienten wiederherzustellen. Dafür möchten wir unter aktiver Teilnahme der Semmelweis Universität ein klinisches Forschungszentrum gestalten, um in Ungarn, bei den ungarischen Patienten solche Therapien anzuwenden, die mit Hilfe ungarischer Forscher herausentwickelt sind. Mit unseren Forschungspartner hoffen wir darauf, um dies in der nahen Zukunft verwirklichen zu können – erklärte Dr. Arnold Szabó.

Dr. Botond Roska ist Professor der Universität Basel, Gründer des Instituts für Molekulare Und Klinische Ophthalmologie in Basel und Gastprofessor der Semmelweis Universität, sowie Preisträger von Semmelweis Budapest Award letztes Jahres. Mit seinen Mitarbeitern führt er hauptsächlich  Forschungen bezüglich Wiederherstellung der Sehkraft durch.

Ádám Szabó
Photo: Bettina Gál – Semmelweis Universität; Arnold Szabó
Übersetzung: Judit Szlovák