Ein neues, auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Risikobewertungssystems, das im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum der Semmelweis Universität entwickelt wurde, kann die Risikoabschätzung der in Herzinsuffizienz leidenden Patienten unterstützen. Das Entscheidungshilfesystem, das anlässlich des 250. Jubiläums der Universität den Name SEMMELWEIS-CRT score erhielt, hilft dem behandelnden Arzt – aufgrund klinischer Angaben der Patienten – bei der Identifizierung von Hochrisikopatienten, die eine gründlichere Überwachung benötigen. Das Risikobewertungssystem wurde aufgrund Angaben der von den letzten 20 Jahren durch kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) behandelten Herzpatienten entwickelt. Die unter Leitung von Béla Merkely, Klinikdirektor und Rektor der Universität verwirklichten Ergebnisse des Projekts wurden kürzlich in der prestigevollen European Heart Journal veröffentlicht.

Das durch die reduzierte Pumpenfunktion des Herzens verursachte Kreislaufversagen hat eine der schweren onkologischen Erkrankungen ähnlichen Mortalitätsrate. Bei über einem Drittel der Herzinsuffizienzpatienten bildet sich in den Herzkammern Überleitungsstörung heraus, die die Pumpenfunktion des Herzens weiter verschlechtert. Dies kann durch kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) behandelt werden, die die Implantation von einem speziellen Herzschrittmacher bedeutet. Diese Therapie, die früher von Dr. Béla Merkely in Ungarn im Városmajor Herz- und Gefäßzentrum vorgestellt wurde, kann die Symptome Herzinsuffizienz lindern, die Lebensqualität und das Überleben der Patienten wesentlich verbessern.

„Wegen der besonderen Natur dieser Krankheit ist die Identifizierung der Hochrisikopatienten, die personalisierte Risikoabschätzung besonders wichtig, mit deren Hilfe das Vorselektieren der Patienten, die nach dem Eingriff eine gründlichere Überwachung benötigen, möglich ist“ – erklärte Dr. Márton Tokodi, PhD-Student der Városmajor Herz- und Gefäßklinik, einer von den Erstautoren des publizierten Artikels. Diese Patienten brauchen bei dem Nachbereitungsprozess eine besondere Aufmerksamkeit, da es hier eine viel komplexere medikamentöse oder medizinische Therapie, eventuell eine Herztransplantation erforderlich sein kann – sagte er. Dies kann in bestimmten Fällen weitere Jahre im Leben dieser Patienten bedeuten – fügte er noch dazu. Und das von der Forschungsgruppe herausentwickelte Entscheidungshilfesystem kann dabei behilflich sein.

„Das neue Risikobewertungs-Tool, das das anlässlich des 250. Jubiläums der Universität den Name SEMMELWEIS-CRT score erhielt, basiert sich auf die in den letzten 20 Jahren in der Klinik durchgeführten CRT-Implantationen“ – erklärte Dr. Béla Merkely, Klinikdirektor und Rektor der Universität. Diese Datenbank von den mehr als 1600 Patienten, bei denen eine CRT-Implantation durchgeführt wurde, bildete die Grundlage für das Machine Learning-basierte System, das eine viel mehr genauere Abschätzung der jährlichen Mortalitätsrisiko der Patienten in der Nachbereitungsphase ermöglicht. Der Aufbau von so einer großen Datenbank – die die Grundlage der innovativen Produktentwicklung ist – ist nur in den großen Universitätskliniken möglich. Die Városmajor Herz- und Gefäßklinik ist eins von den größten Zentren in Europa, wo alle medikamentösen oder medizinischen Therapien für die Behandlung der Herzinsuffizienz-Erkrankungen erreichbar sind.

Der gestaltete Algorithmus konnte mit Hilfe der Datenbank – die sowohl Daten vor der CRT-Implantation als auch Mortalitätsangaben beinhaltete – die relevanten, oft verdeckten Verbindungen zwischen den verschiedenen Faktors entdecken. Auf Grundlage dieser evidenzbasierten Kenntnisse kann die Risikoabschätzung bei neuen Patienten gemacht werden – erklärte Dr. Tokodi. Da das System auf Basis der künstlichen Intelligenz funktioniert, ist es fähig, das Netzwerk von zahlreichen Parametern wirksam abzubilden, und dadurch übersteigt SEMMELWEIS-CRT die früheren, auf traditionellen statistischen Methoden gebauten Punktsysteme deutlich. So kann dieses System die gegenwärtig beste Abschätzung bezüglich Überlebenschancen der Patienten geben.

Während dem Projektablauf wurden von den 100 in die Datenbank eingegebenen Parametern die 33 wichtigsten ausgewählt. Durch die Angabe dieser Parameter kann der behandelnde Arzt mit Hilfe dieses Systems – das auch online zu erreichen ist – den personalisierten Risikoprofil der Patienten bestimmen. Die zur Risikoabschätzung benutzten Parameter (z.B. Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Laborergebnisse, Begleiterkrankungen, oder die aktuell genommenen Medikamente) sind während der Routineversorgung der Patienten erfasst. So ist es nicht nötig, weitere teureren oder umfassenden Untersuchungen zu machen; die Benutzung des SEMMELWEIS-CRT bedeutet keine zusätzliche Belastung für den Arzt oder das Krankenhaus – betonte Dr. Márton Tokodi. Das gegenwärtige System ist auf folgendem Link zu erreichen: www.semmelweiscrtscore.com. Dies kann von jedem Arzt und Forscher, in erster Linie für wissenschaftliche Zwecke frei zu erreichen – erklärte er noch. In der Zukunft möchte man erreichen, damit der Prozess der Risikoabschätzung komplett automatisiert ist; d.h. die Bestimmung der verschiedenen Risikoebene sollte in die elektronischen Patientenverwaltungssysteme eingebaut werden. Ein weiteres Ziel ist die Erweiterung der das System unterstützende Datenbank mit Einbeziehung von neuen einheimischen und internationalen Zentren. Durch die Erhöhung der angewendeten Datenmenge kann die Exaktheit der Abschätzungen vom System weiter verbessert werden.

Wie Dr. Béla Merkely betonte, ist es das erste Mal, dass ein Artikel über eine reine ungarische Forschung und Innovation ausschließlich nur unter Mitwirkung von ungarischen Autoren in der prestigevollsten kardiologischen Zeitschrift, in European Heart Journal publiziert wurde. Die Forschung konnte in enger Zusammenarbeit der Semmelweis Universität und einer US-amerikanischen aber teilweise ungarischen Firma, der Argus Cognitive – die den technologischen und theoretischen Hintergrund der künstlichen Intelligenz sicherte – verwirklicht werden.

Das Projekt wurde im Rahmen des Nationalen Herzprogrammes – gestartet mit Hilfe des Nationalen Büros für Forschung, Entwicklung und Innovation – sowie im Rahmen des Thematischen Bereich-Exzellenzprogrammes des Ministeriums für Innovation und Technologie finanziell unterstützt.

 

Tamás Deme
Photo: Attila Kovács – Semmelweis Universität
Übersetzung: Judit Szlovák